Donnerstag, 28. September 2017

Fünf Berliner Miniaturen

In my last months in Berlin I have collected five little miniatures of occurrences around me. In German.


Fünf Berliner Miniaturen

1

Zehlendorf, Rost- und Silberlaube der FU

Eine Freundin und ich suchen – schon leicht verpeilt – einen neuen Arbeitsplatz. Das Bedürfnis nach Wasser Ab- und Zufuhr treibt uns in nächste Herrenklo. Während sich die Flasche umständlich schief füllt, erzähle ich von den Toilettenlogos im HKW. Dort sind an einer Tür Männerköpfe mit Röcken und an der anderen lange Haare und Brüste in Männerbeinen. Meine Freundin verlautbart, dass sie sowieso finde, alle Toiletten sollen unisex seien, was soll der konservative Mist von gender-dualistischen Toiletten überhaupt noch?
In diesem Moment kommt einer aus den Kabinenklos und die Freundin ist instinktiv peinlich berührt ob des Eindringens in dieses männliche Stille Örtchen. “Das ist ein politischer Akt!” witzel ich um Spannung raus zu nehmen. Der Typ ist offensichtlich eher müde, will zum Waschbecken um möglichst bald zurück zu was auch immer für einer Lehrveranstaltung zu kehren. Um nicht grob zu wirken, gibt er ein unbeteiligtes “Alles gut” von sich.



2

Kreuzberg, Kottbusser Tor

Einer Laune folgend, setze ich mich mitternachts an den Kotti. Ich bin der einzige Weiße, alle anderen haben dunklere Hautfarben und sind durch meine sitzende Anwesenheit etwas verunsichert. Ein - vermutlich - Latino kommt locker zu mir und fragt ob ich was brauche. Ich verneine freundlich und lass ihn bei beidseitiger Sympathie vorbeiziehen. Hinter mir sitzt ein ununterbrochen abgehackte arabische Sätze in sein Telefon sprechender Typ, der auch immer wieder anderen kleineren Boys Anweisungen und wohl auch anderes gibt. Ich schaue lieber nicht zu genau – fühle mich auch so schon als Zivilbulle eingeordnet und allgemeine Verunischerung produzierend. Meine Sorge beruhigt der Latino etwas, der zurück schlapft und mit leicht verliebten Blick fragt, ob ich denn sicher sei, nichts zu brauchen. Wir mögen uns und ich denke mir, wie interessant das ist. Mir, als zufällig der weißen Majorität angehöriger ist der Raum abstrakt-rechtlich zugesichert. Deswegen muss ich mich nicht konkret mit ihm auseinandersetzen. Die meiste Zeit laufe ich hier augenlos durch, so wie die anderen Hipster, Kulturbürger_innen und Bio-Käufer_innen. Setze ich mein abstraktes Recht auf diesen Raum ins konkrete um, merke ich, wie mir dieser gar nicht gehört. Wie dieser, gerade weil die Boys um mich von diesen System eher diskriminiert werden – und also nicht der abstrakten Raumgarantie trauen können – konkret einen Raum besetzten, von dem ich sofort instinktiv fühle, dass er nicht wirklich meiner ist, sobald ich die Ideenwelt des eiligen Passanten verlasse. Eine oberflächlich friedliche Koexistenz der verschiedenen Ideensphären.

3

Tempelhofer Feld, Mittags

Drei Kinder radeln – vielleicht soeben von der Schule befreit – eilig davon. Zwei fahren in der Kolonne nebeneinher und reden, während der vermutlich türkisch-stämmige Junge eher als Satellit um sie kreist und sich sichtlich ignoriert fühlt: “Mann ihr Blondinen, jetzt schaut doch mal her!” Die beiden reden unbeeindruckt weiter. “WWAAAAHHH – ich will auch im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen!!”

4

UdK, Bildhauereiklasse

Zwei Bildhauerei-Studierende unterhalten sich während der lauten Arbeit. Der eine erzählt der anderen, dass er jetzt neuerdings in Therapie sei, und welche Vorzüge die Psychoanalyse habe. “Da bekommt man Jahre eine staatlich finanzierte Person zu Verfügung gestellt, auf die man einfach alles projizieren kann. Mit der man machen kann, was man will.” Seine Gesprächspartnerin ist sich einig über die Vorzüge der Psychoanalyse, sie kenne auch immer mehr ihrer Freund_innen, die in Therapie seien. In einem Anflug des Übereifers verlautbart sie sogar, dass “es doch eigentlich ein Menschenrecht für jedermann sein sollte, eine Person zu haben, auf die man einfach alles – ohne Konsequenzen und Spätfolgen – projizieren kann. Das würde die Gesellschaft sicherlich um einiges weiter bringen.”


5

Herrfurther Straße, Eingang zum Tempelhofer Feld

Ein blonder, dicklicher Junge radelt große Bogen schlagend vom naß-nebelig verhangenen Tempelhofer Feld her und schreit in unregelmäßigen Abständen: “EDEKA! EDEKA! Ich komme EDEKA!” Als er mich in der herbstlichen Einsamkeit bemerkt, schreckt er auf, fasst sich aber bald und lächelt mir ein spitz-freundliches: “Salam a-leikum” zu.

Donnerstag, 14. September 2017

Two publications in the recent "engagée #5 - Maschine-Werden"

 
The beautiful magazine engagée ("für politisch-philosophische Einmischungen") just released its 5th edition (titled, incidentally, Maschine-Werden) and this time I am involved in two publications.

1) together with Sabina Holzer (and this time: Jack Hauser) and as part of Stoffwechsel - Ecologies of Cooperation I am experimenting with a new form of interactive writing we call "reactions". For this, we go to lectures of thinkers we are interested in and afterwards try to put the resulting humming of our heads into a more lyrically than logically operating text: in this method, we try to find a sound behind interesting theories. In this first result, entitled "Gaia, sie liebt mich, sie liebt mich nicht - eine Reaktion auf Alf Hornborgs Wienbesuch zu Machines as Machinations" we reacted to Alf Hornborgs visit to our laboratory in Vienna. More reactions to other lecturers will follow!

2) In a presentation of Hito Steyerl's installation Factory of the Sun, an excerpt of my publication "be part of the problem, not the solution" was republished.

The texts are not yet online. The magazine can be ordered here.

 
with love from Gaia.