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Sonntag, 17. September 2023

Talk on "Neue Vorsicht" & musical dance-theater play "Rasender Stillstand" @ Festspiele Bregenzerwald

 I am honored to have co-inspired a musical theater play at the Festspiele Bregenzerwald this year with my book "Neue Vorsicht - Philosophie des Abstands im Zeitalter der Katastrophen". The piece is titled "Rasender Stillstand" [Raging Deadlock] and is a topic very dear to me in my research about the Resilience of Modernity and the deadlock of our ecocidal life-forms. Therefore I am very happy to give a little input from my book on the (under-reflected) relation between activism and developing taste, between withdrawal and immersion, between breathing in and breathing out. I will speak at the infamous "Felbers schiefes Haus" and the whole day program will be accompanied by food, walks, music and dance. I am very excited about next week!

Find the program here.

And my book, of course, here.

Montag, 15. Mai 2023

"Schrott Fiction" and "Neue Vorsicht" - two appearances in Berlin

 

This week, I am speaking on two occasions in Berlin. 

The first one is at the panel "Schrott Fiction: Wiederverwertung zwischen Nachhaltigkeit und Trash" at the Metropol Con at Silent Green on Thursday, 18.5. 18:30. I will be sharing the panel with Julia Grillmayr, Rudi Nuss, Philipp Böhm, Dominik Irtenkauf and Dilman Dila. Find the program here.

The second one will a little book presentation of my publication "Neue Vorsicht - Philosophie des Abstands im Zeitalter der Katastrophen" on Sunday, 21.5 18 at Clánndestino in Berlin Kreuzberg. Find all the details here

 

Dienstag, 13. Dezember 2022

"Was können wir von der pandemischen Abstandskultur für den Umgang mit der Öko-Katastrophe lernen?"  

"Wann wird eine kompromisslos und unabdingbar vorpreschende Haltung zum Problem? Wieviel Filterarbeit und Blasenbildung braucht ein effizienter Aktivismus? Und wann und wie kann Sich-Raushalten nicht als stillschweigendes Einlenken mit der furchtbaren Norm, sondern als notwendiges Fokussieren und Konzentrieren der Kräfte für den Kampf um Veränderung verstanden werden?

Grundannahme einer hier tentativ skizzierten Ethik einer Neuen Vorsicht ist, dass es das Bedürfnis nach Desinvolvierung stets und in egal welchem politischen Lager gibt, es bislang aber noch kaum gelungen ist, dieses Bedürfnis auf einen progressiv-emanzipatorischen Begriff zu bringen."
 
Ich durfte einen kleinen Aufsatz über mein neues Buch Neue Vorsicht - Philosophie des Abstands im Zeitalter der Katastrophen in der Berliner Gazette veröffentlichen. Man kann ihn hier nachlesen
 
--> übrigens kann man auf der Homepage von Edition Konturen nun das gesamte erste Kapitel des Buchs nachlesen! 

Samstag, 12. November 2022

"Wer hat hier eigentlich Recht...auf Entspannen?" im Kulturhaus Helferei, Zürich, 17.11

Nächsten Donnerstag werde ich Gelegenheit haben, einige Thesen meines neuen Buchs "Neue Vorsicht - Philosophie des Abstands im Zeitalter der Katastrophen" im Rahmen einer Diskussionsveranstaltung im Züricher Kulturhaus Helferei zu präsentieren. Titel des Abends ist:

WER HAT HIER EIGENTLICH RECHT... AUF ENTSPANNEN?
Das neue Debattierformat der Helferei

Lohnarbeit, ständige Verfügbarkeit oder unsichtbare Care-Tätigkeiten: Unsere Gesellschaft ist chronisch erschöpft, manche von uns mehr als andere. Zeit also, zu entspannen. Doch können wir das überhaupt, ohne einer neoliberalen Logik von Achtsamkeit zu verfallen? Und wie sieht Fernbleiben von Stress ganz praktisch aus? Wir stellen Fragen, wer in unserer Gesellschaft überhaupt das Recht auf Entspannen hat, warum dies aus verschiedenen Gründen wichtig ist und welche Methoden es gibt. Und probieren es gemeinsam aus.

Ein interaktiver Abend zwischen angewandter Entspannung und Theorie, mit Expert:innen, Gesprächen und Care.

Anwesende Gäste sind Philosoph und Künstler Kilian Jörg, Psychologin Simona Napiatek, die Jurist:innen Giulia Walter und Andrea Florin sowie Sound & Breath Ceremonialist Marc Grüninger.

Konzept: Sabrina Tannen und Anna Bertram in Kooperation mit Rights in the Arts.

Donnerstag, 17.11.2022, 19.00 Uhr - Kulturhaus Helferei - Kirchgasse 13, 8001 Zürich

--> Reservierung hier <--

....übrigens kann man jetzt das gesamte Einleitungskapitel des Buchs hier probelesen <3 

 

 


Montag, 31. Oktober 2022

"there is no rave on a dead planet" & Neue Vorsicht - Vortrag & Buchvorstellung in Innsbruck - 10-11.11.2022


Übernächste Woche bin ich auf Vortragsbesuch in Innsbruck, dank der Einladung des wunderbaren Kollektivs contrapunkt.

Am Donnerstag dem 10.11 werde ich am Abend mein neues Buch "Neue Vorsicht - Philosophie des Abstands im Zeitalter des Katastrophen" als Teil der Diskursreihe "Es geht bergab" vorstellen. Ab 19h bei Il Corvo, Mozartstraße 12 - mehr Details hier: https://ilcorvo.noblogs.org/buchvorstellung-neue-vorsicht/


Gleich anschließend am Freitag werde ich im legendären Projektspace und Club PMK einen Vortrag zum Thema "There is no rave on a dead planet" halten. Genauere Beschreibung weiter unten. Mehr Infos hier: https://www.facebook.com/events/525123685639718/

"Es dämmert immer mehr Menschen, dass wir in einem Zeitalter der Katastrophen leben. Wohingegen die ersten eineinhalb Jahrzehnte des 21ten Jahrhunderts noch vielfach hedonistischer Leichtigkeit gefrönt haben, scheint durch die Pandemie, den Ukraine-Krieg, den zunehmenden globalen Rechtsruck und die ökologische Katastrophe nun überall der politische Ernst eingezogen zu sein. Ist die Party also vorbei? Seien wir ehrlich: die Stimmung unter den Ravern ist gedrückt.
 
Umweltschutz und Ravekultur – tatsächlich scheinen sich diese beiden Unternehmungen auf den ersten Blick auszuschließen. Erster befasst sich mit der Schaffung nachhaltigerer und weniger energieintensiver Lebensweisen, zweitere ist mit Hedonismus und Ekstase verbunden: die übermäßige Verschwendung unserer und der Energie anderer, um ein größeres Gemeinschaftsgefühl zu schaffen.
 
Muss eine nachhaltige Gesellschaft prinzipiell also auf Raves verzichten und brav, geordnet und im biederen Sinne „vernünftig“ sein? In diesem Vortrag möchte ich für das Gegenteil argumentieren. Anhand eines Nachdenkens über den Exzess werde ich auf Gefahren des entstehenden grünen Kapitalismus hinweisen, welcher Verantwortung individualisiert und ein ähnlich rigides Verhältnis zu Körperlichkeit entwickelt wie der Katholizismus. Ich werde zeigen, dass eine wirklich radikal ökologische Transformation keinesfalls den Exzess verbieten darf, sondern diesen vielmehr kultivieren muss. Ein ökologische Handlung besteht nicht darin, den am Papier sparsameren Tesla zu kaufen und sonst nichts zu ändern – es geht darum, andere Interaktions- und Seinweisen untereinander und mit dem Planeten zu entwickeln. Hierbei können Raves und Clubs Labore einer neuen Kultur des nachhaltigen Verschwendens sein. In ihnen kann ein Anti-Realismus – ein Verweigern der hegemonialen Wirklichkeitserzählung – gedeihen, der für jeden radikale Wandel unabdingbar ist. Gerade in einem Zeitalter der Katastrophen müssen wir Räume der Leichtigkeit bewahren, um an den traurigen Erzählungen des grün-angestrichenen Desasterkapitalismus vorbei zu tanzen – hin zu besseren und bunteren Welten… ."

Donnerstag, 6. Oktober 2022

NEUE VORSICHT - Philosophie des Abstands im Zeitalter der Katastrophen

This is the announcement of my new book on keeping distance for an emancipatory project - it is written in German. For more info in English, don't hesitate to drop me an email about it.


Abstand war sicher eines prägenden Wörter der letzten Jahre. Doch was ist, wenn hinter den pandemischen Bejahungen von "social distancing" noch ein viel tiefergehendes Bedürfnis nach Des-Involvierung schlummert, welches vor Covid noch nie wirklich für ein emanzipatorisches Projekt ausformuliert werden konnte? Aktivistische, veränderungswillige Politik leidet zu oft an der Verausgabung, am Burn-Out, am Kämpfen gegen zu viel Schlimmes in der Welt - und geht daran oft energetisch zugrunde. 

Ich habe ausgehend von dieser Problemstellung eine Philosophie des Abstandhaltens für einen politischen Aktivismus geschrieben, die nun als Buch erscheint. Ich glaube, dass Sich-Raushalten nicht nur als reaktionärer Eskapismus verstanden werden darf, wie er das oft in traditionellen linken Politikverständnissen wird. Ganz im Gegenteil ist Sich Raus-Halten gerade im Zeitalter der ökologischen Katastrophen wesentlich, um Solidarität und Handlungsfähigkeit zu bewahren.

Das Thema der "Neuen Vorsicht" - welche ursprünglich von drei Nietzsche Aphorismen inspiriert ist - verfolgt mich auf unterschiedlichen Ebenen seit Jahren. Als ich letztes Jahr am Klimacamp der Lobaubesetzung wohnte, habe ich den Anstoß gefunden, meine Skizzen zu dem nun erscheinenden Buch zu kondensieren:

NEUE VORSICHT - PHILOSOPHIE DES ABSTANDS IM ZEITALTER DER KATASTROPHEN
Edition Konturen: Wien, Hamburg 2022. 102 Seiten, € 12,–
ISBN 978-3-902968-78-4

--> Buch hier bestellen <--

Die erste Buchvorstellung wird in Wien am 17.10, 19h im Café Kollektiv Gagarin (Garnisongasse 24, 1090) stattfinden. Weitere Termine in Berlin, Innsbruck, Zürich, Lüneburg oder Hamburg werden folgen. (Falls wer Tipps für Rezensentinnen oder andere öffentlichkeitswirksame Aktionen / Präsentationen hat, bitte gerne schreiben :)

Buchvorstellungen:

17.10 - Wien: Café Kollektiv Gagarin 

more tba

Links

Edition Konturen

Sonntag, 6. Juni 2021

STOFFWECHSEL Denkkollektiv #6 – Neue Vorsicht? (On Touch #2)

I am very happy to be able to further pursue one of the topics which already occupy me for years at the next Stoffwechsel-Denkkollektiv with Michael Hirsch an the entire Stoffwechsel collective. Under the title Nietzsches Neue Vorsicht I am - together with, partly, Jorinde Schulz and Michael Hirsch, pursuing a philosophy of the necessity of looking away (and thus filtering) FOR political activism in order to be effective. It is some sort of an apology of the bubble which tries to seek to develop an ethics of politically enabling acting and transforming in the very messy time called the Anthropocene. I hope I will be, at some point, able to condense this in some kind of finished & cohesive publication. The next landmark can be revisited at the public presentation after our week-long research lab. Find more information below or here.


STOFFWECHSEL Denkkollektiv #6 – Neue Vorsicht? (On Touch #2)

Di 22. bis Sa 26.6.2021 // künstlerische Forschung
Sa 26.6.2021 // 17.00 // OPEN LAB

„N e u e V o r s i c h t. – Lasst uns nicht mehr so viel an Strafen, Tadeln und Bessern denken! Eine*n Einzelne*n werden wir selten verändern; und wenn es uns gelingen sollte, so ist vielleicht unbesehens auch Etwas mitgelungen: wir sind durch sie* verändert worden! Sehen wir vielmehr zu, dass unser eigener Einfluss auf alles Kommende ihren* Einfluss aufwiegt und überwiegt! Ringen wir nicht im directen Kampfe! — und das ist auch alles Tadeln, Strafen und Bessernwollen. Sondern erheben wir uns selber um so höher! Geben wir unserm Vorbilde immer leuchtendere Farben! Verdunkeln wir die Andere*n durch unser Licht! Nein! Wir wollen nicht um ihretwillen selber dunkler werden, gleich allen Strafenden und Unzufriedenen! Gehen wir lieber bei Seite! Sehen wir weg!“

(Nietzsche, Fröhliche Wissenschaft § 321 – gegendert von KJ)

Ausgehend von diesem Nietzscheanischen Gedankenanstoß wollen wir die gegenwärtigen Probleme von Abstand und Anstand, Polarisierung und Cancel-Culture, Immersion und Eskapismus, Solidarität und Selbstaufgabe in diesem Denkkollektiv auf unzeitgemäße Arten erforschen.

 

Das Denkkollektiv #6 – Neue Vorsicht? (On Touch #2) ist Teil des transmedialen Forschungsprojektes Stoffwechsel – Ökologien der Zusammenarbeit.

www.stffwchsl.net

 

Find a little extract of the texts I wrote for this lab here.

Montag, 5. November 2018

Work, Art & a Good Life #3 - 18-22nd November 2018 @ im_flieger

Work, Art & a Good Life will have its third edition as part of Lisa Hinterreithners Lab AFTER TOO MUCH. Together with Michael Hirsch, I will be giving a lecture  about the political potential of not-acting (drawn from some interim conclusions from the ongoing project Nietzsches Neue Vorsicht) on 21st of November, 19h. More Information tba.


Sonntag, 30. September 2018

Nietzsches Neue Vorsicht - project exposé after two months of work in Weimar

Jorinde Schulz and me just finished two months of extensive work on our next book project as fellows of the Kolleg Friedrich Nietzsche in Weimar. Below you can find an exposé of our project in the making. We are excited about feedback, ideas and suggestions.


Nietzsches Neue Vorsicht Untersuchungen zum Denken der Blase

"Neue Vorsicht. — Lasst uns nicht mehr so viel an Strafen, Tadeln und Bessern denken! Einen Einzelnen werden wir selten verändern; und wenn es uns gelingen sollte, so ist vielleicht unbesehens auch Etwas mitgelungen: wir sind durch ihn verändert worden! Sehen wir vielmehr zu, dass unser eigener Einfluss auf alles Kommende seinen Einfluss aufwiegt und überwiegt! Ringen wir nicht im directen Kampfe! — und das ist auch alles Tadeln, Strafen und Bessernwollen. Sondern erheben wir uns selber um so höher! Geben wir unserm Vorbilde immer leuchtendere Farben! Verdunkeln wir den Andern durch unser Licht! Nein! Wir wollen nicht um seinetwillen selber dunkler werden, gleich allen Strafenden und Unzufriedenen! Gehen wir lieber bei Seite! Sehen wir weg!"1

Strafen, Tadeln, Bessern – das ist der erzieherische Reflex jeder überzeugten Person, das ist die diskursive Angewohnheit einer Vielzahl politischer Bewegungen und Akteure. Nietzsches „Neue Vorsicht“ trifft den wunden Punkt dieser Art und Weise, Zukunft gestalten zu wollen: wenn eine Politik der Transformation sich darauf versteift, Einzelne zu erziehen, erschöpft sie sich im „directen Kampfe“, im ständigen Dagegen-Sein. Ein Phänomen, das man nicht zuletzt im reaktiven Anfeinden beobachten kann, in dem manch emanzipatorisches Projekt affektiv verkümmert. Die Konsequenz eines moralistischen Anklage- und Abstrafungsgestus ist, so die unangenehme Erkenntnis Nietzsches, sich dem anzugleichen, was man eigentlich verändern wollte.
Es ist eine Loslösung von sokratisch geprägter Transzendenz und die damit einhergehende Lockerung der Engführung von Politik und Moral, welche Nietzsche den Blick frei macht, Theorie und Praxis radikal nach ihrer Wirksamkeit zu befragen – danach, was ein Wissen, ein Diskurs, ein Denken eigentlich tut, mit einem selbst und mit einem umgebenden Milieu.
Die einer solchen ätiologischen Betrachtung entspringende Praxis, welche hier unter dem Titel einer „Neuen Vorsicht“ vorgeschlagen wird, ist eine Haltung der radikalen Abschottung: „Gehen wir bei Seite! Sehen wir weg!“ Ist man dem politischen Aktivismus verschrieben, muss diese Empfehlung zutiefst provozieren. Denn auf den ersten Blick scheint sie ein Programm des stillschweigend konformistischen Eskapismus zu beschreiben, das mitnichten auf „alles Kommende“ einwirkt. Doch gerade aus einer politischen Perspektive wollen wir die Nietzsches Neue Vorsicht aktualisieren, um einen ökologisch informierten, affektökonomisch klugen und postmoralischen Begriff von Subjektivität herauszuschälen.

Ein Blick auf den Ecce homo erlaubt es, den Begriff zu differenzieren und einzubetten. In diesem Werk holt Nietzsche das Denken nämlich in vitalistischer Manier auf den Boden der klimatischen Bedingungen, der geographischen Verortung und der Funktionen des Stoffwechsels. Der oben beschriebene Ethos einer bewussten Abtrennung taucht hier wieder auf, als reichhaltiges Konzept einer situierten Haltung – und das heißt zugleich als Geschmack und Selbstverteidigungsinstinkt:

"In Alledem — in der Wahl von Nahrung, von Ort und Klima, von Erholung — gebietet ein Instinkt der Selbsterhaltung, der sich als Instinkt der Selbstvertheidigung am unzweideutigsten ausspricht. Vieles nicht sehen, nicht hören, nicht an sich herankommen lassen — erste Klugheit, erster Beweis dafür, dass man kein Zufall, sondern eine Necessität ist. Das gangbare Wort für diesen Selbstvertheidigungs-Instinkt ist Geschmack. Sein Imperativ befiehlt nicht nur Nein zu sagen, wo das Ja eine „Selbstlosigkeit“ sein würde, sondern auch so wenig als möglich Nein zu sagen. Sich trennen, sich abscheiden von dem, wo immer und immer wieder das Nein nöthig werden würde. Die Vernunft darin ist, dass Defensiv-Ausgaben, selbst noch so kleine, zur Regel, zur Gewohnheit werdend, eine ausserordentliche und vollkommen überflüssige Verarmung bedingen. Unsre grossen Ausgaben sind die häufigsten kleinen. Das Abwehren, das Nicht- heran-kommen-lassen ist eine Ausgabe — man täusche sich hierüber nicht —, eine zu negativen Zwecken verschwendete Kraft. Man kann, bloss in der beständigen Noth der Abwehr, schwach genug werden, um sich nicht mehr wehren zu können.“2

In diesem Zitat wird deutlich, dass Nietzsche die Neue Vorsicht auf Überlegungen affektökonomischer wie klimatisch-ökologischer Art gründet. Der immer drohende Burnout einer neinsagenden („kritischen“) Haltung – den man vielerorts als Hang zur Aufreibung innerhalb der politischen Aktion beobachten kann – rührt daher, dass jede Handlung, jede Äußerung „dagegen“ eine Ausgabe von Kräften ist: Nicht nur „verdunkelt“ Kritik, sie „kostet“ auch. Daher gilt es Nietzsche, sich selbst in optimalen klimatischen und geographischen Bedingungen zu situieren, um die eigene Lebenskraft zu erhalten und zu steigern. Vordergründig geht es dabei um die volle Entfaltung individueller Ressourcen in einer Umwelt, die keine „Stacheln“ und kein Neinsagen erfordert. Doch die ästhetische – d.h. sinnlich erspürte – Selektion einer Umgebung muss sich die Frage nach einem Austausch stellen und führt damit auf einen größeren Immanenzzusammenhang: Wie man wirken kann, hängt von einem Stoffwechsel, einem Affizierungsgeschehen zwischen Individuen und Umgebung ab. Und so führt die Selbstgestaltung zur Ökologie3: die Wissenschaft von den Wechselbeziehungen zwischen den Lebewesen und ihrer Umwelt - und Lehre vom „Haushalt der Natur“.4
Wie nun nutzt Nietzsche seine Sensibilität für Stoffwechselprobleme?
- Gesetzt, ich trete aus meinem Haus heraus und fände, statt des stillen und aristokratischen Turin, die deutsche Kleinstadt: mein Instinkt würde sich zu sperren haben, um Alles das zurückzudrängen, was aus dieser plattgedrückten und feigen Welt auf ihn eindringt. Oder ich fände die deutsche Grossstadt, dies gebaute Laster, wo nichts wächst, wo jedwedes Ding, Gutes und Schlimmes, eingeschleppt ist. Müsste ich nicht darüber zum Igel werden? — Aber Stacheln zu haben ist eine Vergeudung, ein doppelter Luxus sogar, wenn es freisteht, keine Stacheln zu haben, sondern offne Hände…"5
Sich als ständig vom Untergang bedrohte Minorität stilisierend wählt der Denker das vornehme Turin als Präferenzmilieu. Und outet sich als einer der ersten Denker der Blase.

 
Blasenwelten
Die Blase – als Inbegriff des geschlossenen, nährenden Milieus - hat zur Zeit eine immense Faszinationskraft und ist ein
case in point der Verquickung von ökologischen und politischen Phänomenen. Im dicht besiedelten 21ten Jahrhundert kennen wir sie nur allzu gut, Peter Sloterdijk hat eine ganze Philosophie auf ihr aufgebaut. Vom Mutterleib an leben wir in der sphärischen Umhüllung, die allerwenigsten schaffen es, diese erste Blase zu verlassen - und wenn, dann nur um in die nächste überzuwechseln: Stadtblasen, Kulturblasen, Intellektuellenblasen, Verschwörungsblasen, Filterblasen... Innerhalb des Sozialen nimmt die Blase eine ambivalente Doppelfunktion ein: Einerseits kann sie als Schutzraum auftreten, der durch eine gewisse Verschließung das Aufkeimen und Gedeihen alternativer Lebensstile und politischer Subkulturen ermöglicht6.
Andererseits sind Blasen auch Orte, wo harmonische Einigkeit und Übereinstimmung herrscht, die häufig kaum über die Grenze der eigenen Bubble hinausreicht. Hier werden Inhalte und Praktiken kultiviert, die sich im Inneren verstärken und einschwingen, ohne jedoch den Austausch mit einem „anderen“ Außen zu suchen. (Als bestes Beispiel kann man die demonstrativ und doch apathische Verstörung anführen, welche urbane Kulturbürger_innen, Progressive und Privilegierte einem kulturellen backlash entgegenbringen – diese Blasen fungieren nach Innen hin stabilisierend, nach Außen erwirken sie allerdings eine Verhärtung und Polarisierung.)

Mit der Markierung dieser Ambivalenz sind wir wieder bei der schon zu Anfang skizzierten Spannung einer Neuen Vorsicht angelangt, die zwischen einer effizienten Strategie des Entzugs und einer zynischen Kokonisierung zu oszillieren scheint. Es ergeben sich drei Schwerpunkte für unser Projekt:

Erstens geht es uns um die Neue Vorsicht als Haltung, die im Rahmen einer Politik der Wirksamkeit ein Handlungsrepertoire von kluger Abtrennung bis affektökonomisch kalkulierter Einmischung einzusetzen weiß. Um die Motivationen und Triebfedern dieser Ethik zu verorten, befragen wir Nietzsches Werk und Biographie ausgehend vom brillanten Denkportrait Nietzsches aus der Feder seiner engen Freundin und Verehrten Lou Andreas-Salomé. Außerdem setzen wir diese in Beziehung zu anderen Denkern der „Vorsicht“ wie Guy de Maupassant oder Julien Offray de la Mettrie.
Einen Seitenblick werfen wir auf Urgesteine des „chinesischen Denkens“ wie Laotse oder Konfuzius, da diesen ein strukturell durchaus ähnliches Heraushalten als Zentrum ihres gesamten ethisch motivierten Philosophieren gilt7. Im interkulturellen Abgleich unter Berücksichtigung der sozio-kulturellen Eigenheiten der jeweiligen Kulturräume wollen wir Erkenntnisse über die Bedingungen der Emergenz einer solchen Haltung gewinnen. 


Zweitens möchten wir die im ersten Schritt skizzierte Individualethik auf dem Feld einer ökologischen Vernunft ansiedeln. Hierunter verstehen wir ein Denken in ganzheitlichen Prozessen und Umweltzusammenhängen – in Abgrenzung zu einem primitiven Ökologiebegriff, der von einer Glorifizierung und einem Zurück zur „Natur“ lebt. Nietzsches klimatische, physiologische und energetische Überlegungen werden durch Lektüren neuerer ökologischer Denker*innen wie Isabelle Stengers und Ilya Prigogine, Josef Reichholf, Alf Hornborg zu einem dynamischen Ökologiebegriff geführt, der Ungleichgewichtssysteme und Metastabilitäten ins Auge fasst8. Die Auseinandersetzung mit einer ökologischen Vernunft steht dabei in einem engen Zusammenhang zu feministischen Beiträgen, welche die Verquickung und Engführung des Weiblichen mit dem Natürlichen kritisch untersucht und dekonstruiert haben, wie beispielsweise die von Carol Merchant oder Klaus Theweleit. Ökologisch zu denken heißt so bisweilen, als weiblich unterdrückte Phänomenbereiche neu ans Licht zu bringen (Vulva!), und geht mit einer Reflexion von Geschlechterverhältnissen einher. Der auf ersten Blick typische Mannsphilosoph Nietzsche kann sich so auf den zweiten Blick als weiblich-weibischer Denker outen.
Für eine Ethik des Lebens im Anthropozän scheint eine solche Ästhetik der Gestaltung von und Einhegung in atmosphärische und immersive Machträume sowie ökologischen Nischen unausweichlich. Ausgehend von der von Latour aufgestellten These, dass uns in diesem Zeitalter des Hereinbrechens ökologischer Katastrophen mehr und mehr die geteilte Welt abhanden gekommen ist, wollen wir diesen Zustand als (vorerst) irreversibel anerkennen und für ihn progressive ethico-politische Lösungen und Strategien erarbeiten. Entgegen einer in progressiven wie konservativen Lagern verbreiteten Tendenz auf diesen Realtitätsverlust mit dem Beharren auf das Wiedererlangen einer universal geteilten Welt zu reagieren, wollen wir als produktiveres Gegenangebot eine Ethik des Blasendaseins entwickeln, welche politische wie andere Handlungen stets innerhalb ihrer ökologischen Situiertheit begreifen will.



Drittens soll die Blase als soziopolitisches Phänomen mit spezifischen medialen Ermöglichungsstrukturen im Zentrum stehen und einen konkreten Testfall für den erarbeiteten begrifflichen Rahmen abgeben. Das Ziel ist es, dieses sozialstrukturelle Gebilde analytisch zu greifen und Strategien des Umgangs mit ihm zu entwerfen, die ganz konkret fragen, wie sich Sozialitäten der Blase zwischen verschlossener Echokammer und ermöglichendem Schutzraum gestalten lassen. Das gegenwärtig virulente Motto „Raus aus der Blase“ verfolgen wir in seine psychologischen und metaphysischen Prämissen und fragen, wie wir nach dem Tod einer geteilten Welt dem Schwindel einer umfassenden Entfremdung begegnen, ohne auf den Backlash-Trick neuer monumentaler Transzendenzen hereinzufallen. Perspektivismus und progressive Zukunftsvektoren, die Einzelsegmente der Gesellschaft verbinden können wie geht das zusammen?9 Das sich hieraus ergebende Lob der Narration rührt aus der Erkenntnis, dass eine Realtität ohne Zukunftsvektor (no future) nie den vollen sinnlichen feel einer Realität haben kann. Dadurch wollen wir neue Perspektiven auf viel (aber oft engstirnig) diskutierte Probleme wie "Post-Truth", Filterblasen und alternative Fakten anbieten. Bleiben wir der Wahrheit treu! Aber versuchen wir sie nicht in einem großen Rückfall in den Platonismus (nach Nietzsche) zu zementieren… Denn vielleicht gibt es sie auch nur im Blaseninneren?


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1Friedrich Nietzsche: Fröhliche Wissenschaft, § 321
2Friedrich Nietzsche, Ecce homo, Warum ich so klug bin, 8.
3Der Begriff der Ökologie taucht bei Nietzsche selbst nicht auf – liegt aber unserer Meinung nach wie oben skizziert bei ihm angelegt. Zudem ist das Irdische ein übersehener Faktor in seinem Denken, wie es schon Deleuze betont, und neben der Betonung der Leiblichkeit der Vernunft zieht sich auch die Berufung auf die Erde durch sein Werk.
4So steht es im Duden. Abgerufen auf duden.de am 25.08.16.
5Friedrich Nietzsche, Ecce homo, Warum ich so klug bin, 8.
6 Im Kapitel „Tür“ aus unserem Buch aus unserem Projekt Die Clubmaschine, lesen wir den Club als eine solche Blase, in der erst die Verpanzerung durch harte Betonmauern und noch härtere Türsteher es ermöglicht, minoritäre Sexualitäten und Körperlichkeiten zu entwickeln.
7 vgl. z.B. Jullien, François: Über die Wirksamkeit. Merve Verlag: Berlin 1999.
8 Insbesondere Josef Reichholfs schmalen Band "Stabile Ungleichgewichte - Die Ökologie der Zukunft" halten wir für wichtig. Hierin versucht dieser - im Erbe Ilya Prigogines - der Ökologie das Gleichgewichtsdenken als humanistisches Missverständnis auszutreiben und vom Ungleichgewicht her zu denken.
9Dabei schließen wir an Überlegungen zu einer Interventionsstrategie an, die milieusensibel und affirmativ ist und aus dieser Haltung heraus Änderungsimpulse geben kann, die wir unter dem Titel „Das Anti-Chamäleon“ in der Zeitschrift engagée veröffentlicht haben.