Since the "2-Meter-Abstand Demo für Kunst & Kultur // Nr.3" yesterday was hit by heavy rains, I have decided to put my full speech online. So that those of you who missed it can read it here.
Demorede am 29ten Mai 2020
Dabei möchte ich vor allem zwei Faktoren herausheben:
Demorede am 29ten Mai 2020
Zum postcoronalen Zustand für Kulturschaffende
Es
ist wichtig, die Coronakrise im größeren Kontext zu betrachten, um
den schlimmsten Szenarien zu entgehen und [noch viel mehr]:
eine bessere Welt ausgehend von diesem postcoronalen Zustand,
in den wir da
gerade eintreten,
zu entwickeln!
Dabei möchte ich vor allem zwei Faktoren herausheben:
1)
das allgemeine Klima des politischen Backlashes, der
durch ein vermehrtes Auftreten von Nationalismus, Sexismus,
Fremdenhass und Abschottungsphantasien in den letzten Jahren geprägt
ist.
2)
[den Faktor] der Klimakatastrophe, in der wir uns befinden und
die eine viel größere Herausforderung als die Coronakrise
darstellt.
Tatsächlich
ist
die
Coronakrise ein Teilaspekt
der Umweltkrise.
Wir
erleben gerade, dass das so genannte
Sechste Massenaussterben
auch
den Bereich der Menschen trifft
–
und da noch präziser: nun
auch
die
privilegierten Menschen.
Nur
aufgrund
der
noch nie dagewesenen internationalen menschlichen
Vernetzung
(im
Handel wie im
Tourismus und Internet)
und
den daraus resultierenden
Biodiversitätsverlusten, ökologischen Stressfaktoren,
historischen
Luftverschmutzungen
und
weiterhin
schrumpfenden Habitaten von Nicht-Menschen
konnte
sich ein [virales]
Problem von der Größenordnung von
SARS-CoV-2 entwickeln.
Wir
müssen die Coronakrise als einen Teil der ökologischen Krise
verstehen, um den dystopischen Verhärtungen, die sich im Backlash
ankündigen, zu entgehen. Hierfür werden wir die Kreativen und
Kunstschaffenden mehr denn je brauchen!
Was
wir in den letzten Monaten gesehen haben, wurde bisher für unmöglich
gehalten. Noch nie hat die internationale
Staatengemeinschaft so
schnell
auf ein Problem globaler Größenordnung reagiert. Kaum jemand hätte
es für möglich gehalten, dass der globale Handel, der
internationale Flugverkehr und der damit verbundene CO2-Ausstoß in
so kurzer Zeit so radikal reduziert werden kann.
Selbes gilt aber leider auch für die
persönlichen Freiheitsrechte,
die
demokratische Rechtsstaatlichkeit und
die transnationale Solidarität.
Wir
sind
an einen Horizont herangetreten, an
dem plötzlich
die hehrsten Utopien, wie auch die dystopischsten Befürchtungen der
letzten Jahre als unmittelbar reale Szenarien erscheinen.
Einerseits
spricht man von Deglobalisierung der Produktion und einem radikalen
ökonomischen wie kulturellen Umdenken, führt teils
bereits
ein Bedingungsloses
Grundeinkommen ein
und hat die auf fossilen Brennstoffen basierte Wirtschafts- und
Tourismusbranche so massiv beschnitten, dass sie als überkommbares
Paradigma erscheinen.
„There
is no alternative“ - wie es unsere Führungskräfe bislang
als
Mantra
wiederholten
- hat sich als endgültig als Unwahrheit
erwiesen.
Andererseits
– und
dies dürfen wir nicht übersehen – machen
leider
auch totalitäre
Überwachungstendenzen überall auf der Welt Schule.
Verfassungswidrige
Einschnitte in die persönliche Freiheit und Unversehrtheit werden
mit einem jovialen Achselzucken als leider
notwendig
durchgewunken.
Und
Kritiker_Innen werden
in die Nähe von so
genannten „Gefährdern“
gerückt
(Innenminister
Nehammer)
und
als solche teils heftig diffamiert und angegriffen.
Man
mag sich gegenüber Corona,
dieser
seltsamen Krönung,
und
der Richtigkeit
der Maßnahmen,
positionieren, wie man will. Eines ist jedoch klar: es wird kein
Zurück mehr geben: die Zukunft, auf die wir blicken, ist eine
post-coronale
und
es wird Zeit, sich damit kreativ, transdisziplinär und mutig
auseinanderzusetzen. Wir
müssen neue
Territorien betreten
und bislang
Unsag-
und Undenkbares
wagen.
Solange
die (staatlich
verordnete)
passive Schockstarre im kulturellen Bereich anhält, wird
das sehr schwierig. Dann
werden die biopolitischen Alpträume und real gewordenen Black
Mirror-Folgen
die
wahrscheinlichsten Szenarien bleiben. Dann
wird die Backlashtendenz der letzten Jahre und die kulturelle
Regression sich weiter bis zum tödlichen Totalitarismus
der
Abschottungen verhärten.
Zur
Zeit sehe
ich
ehrlich
gesagt die
große Gefahr, dass die FPÖ – die gerade noch in einem Ibiza-Kater
darnieder
liegt – es schaffen wird, längerfristig von der Coronakrise zu
profitieren:
Denn
bisher
waren es zu meinem Erschrecken Personen wie Herbert Kickl, die als
erste breitenwirksam verfassungsrechtlich bedenkliche Aspekte der
Coronahandhabung in Österreich kritisiert haben. Bei abzusehender
steigender Arbeitslosigkeit und Unzufriedenheit in den nächsten
Jahren müssen wir aufpassen, dass nicht schon wieder die Rechten
Hetzer zu den Rattenfängern der Unzufriedenen werden. Damit
würde der
katastrophale Zustand unseres Planeten weiterhin und
im wahrsten Sinne des Wortes
einbetoniert
werden.
Hier
sind wir
– als kreative, progressive Kulturschaffende – gefragt.
Hier müssen wir mit besseren Erklärungen,
Antworten,
Kritiken und
Utopien gegensteuern!
Es
liegt an uns, (einer transnationalen und gleichzeitig konkret
lokalisierten mehr-als-menschlichen-Gemeinschaft),
die coronale Krise jenseits der bisher dominanten Register des
Menschlichen,
Allzumenschlichen
zu
denken und zu leben. Corona steht
in seiner Bedeutung nicht nur
für
einen
Virenstamm, sondern auch für die Krone der Schöpfung. Es
gilt diese wahnwitzige Idee des modernen Größenwahns mit seinen
katastrophalen
Folgen zu
verlernen.
Wir
müssen die Erde, die auch
wir
bewohnen, als nonhierarchische, komplexe Assemblage verstehen, in der
ganz viele zu hause sind – und auch
sein
müssen, damit das Ganze funktioniert. Menschliches, Technologisches,
Tierisches, Pflanzliches, Pilziges, Mikrobisches, Giftiges
und auch
Virales –
mit
all diesen müssen wir in
und um
uns
die richtige Mischung finden. Wir müssen uns in der Verwobenheit mit
dieser sich
radikal verändernden
Welt erst einrichten. Nur dann gelingt uns ein nachhaltig gutes Leben
in diesem postcoronalen Zustand. Hierfür sind viele Experimente und
Forschungen notwendig. Hierfür muss noch viel gewagt und probiert
werden.
Wer
sollte für dieses Projekt besser geeignet sein, als die Kreativen
und Kulturschaffenden?
Wenn
wir das System in seinem jetzigen Zustand erhalten wollen,
verschärfen
wir die Klimakatastrophe nur noch
weiter
– und damit auch die
Wahrscheinlichkeit für weitere
virale und andere ökologische Krisen. Wir müssen also mehr wagen,
als nur
die AUA und die
so genannte „Wirtschaft“
zu
retten, während die eigentlich zentralen Akteur_Innen der
Gesellschaft nur Brotkrümmel abbekommen.
Neben
einer adäquaten Entlohnung und Förderung der so
genannten „systemrelevanten
Kräfte“,
brauchen
wir eine massive Förderung jener
Kräfte, die kreativ, inklusiv und waghalsig das System erneuern und
verändern können und
wollen. Hierin liegt
die Utopie des Kulturbetriebs! In
dieser Zeit der Katastrophen brauchen die Kreativen und
Kulturschaffenden viel
viel mehr
Mittel und Räume, neue und nachhaltigere Lebensweisen
zu entwickeln und zu verbreiten – nur so entgehen wir dem
Klimakollaps und Massenaussterben.
Was
braucht es konkret? Ich werde hier
abschließend nur
drei Punkte knapp antasten, die mir wichtig erscheinen:
1)
ein Bedingungsloses Grundeinkommen:
und zwar – zumindest längerfristig – nicht nur
für
Kulturschaffende, sondern für alle! Denn wir brauchen mehr Kreative
in dieser Zeit und wie sollte man besser Kreativität fördern als
durch eine ökonomische
Befreiung
von den schlimmsten Abhängigkeiten
des Kapitalismus?
In
dieser Krise ist es vielleicht auch so manchen Politiker_Innen
endlich klar geworden: Viele
von uns sind Teil eines neuartigen Prekariats – wir sind Prekäre
auf einem prekär gewordenem Planeten – und
das
Bedingungslose Grundeinkommen [und zwar am besten nach Alf Hornborg's Modell] ist die sozialste Formel, auf dieses
Problem zu reagieren!
2)
freie, inklusive Räume für Kultur!
Ich
möchte mich nicht auf die (auch hier) immer
wieder
beschworene „Kulturnation“ berufen. Hierbei
geht es
für mich zu oft auf
das Alte und Erstarrte (um uns herum) und
es
erscheint mir auch falsch, sich als
„Tourismusmagnet“ der
Politik verkaufen
zu
wollen.
Es gibt zwar viel Tolles in der Österreichischen Kulturvergangenheit, die Zukunft sehe ich aber wo anders. Ich begreife mich als Teil einer Gemeinschaft von Kreativen Wesen, die jenseits der Kriterien von Pass, Nation, Hautfarbe, Geschlecht, Beziehungen und Kapital arbeiten wollen. Dazu braucht es einen einfachen und inklusiven Zugang zu Kulturräumen des Experiments und Dialogs. Nur darin können wir eine Zukunft entwickeln!
Es gibt zwar viel Tolles in der Österreichischen Kulturvergangenheit, die Zukunft sehe ich aber wo anders. Ich begreife mich als Teil einer Gemeinschaft von Kreativen Wesen, die jenseits der Kriterien von Pass, Nation, Hautfarbe, Geschlecht, Beziehungen und Kapital arbeiten wollen. Dazu braucht es einen einfachen und inklusiven Zugang zu Kulturräumen des Experiments und Dialogs. Nur darin können wir eine Zukunft entwickeln!
3)
Planungssicherheit
und Vertrauen in die Kreativen
Während
Baumärkte, Supermärkte und andere kapitalistische Zugpferde
sehr bald genau wussten, wann und wie sie wieder aufmachen konnten,
werden die Kulturschaffenden teils bis heute hängen gelassen. Was
dabei vergeigt wird, ist,
dass die beruflich bedingt
Kreativsten
der Gesellschaft nichts
zu
einem bitter notwendigen Wandel
beitragen
können.
Dies
muss sich ändern – und hierfür sind wir heute auf der Straße, um
ein lautes Signal an die Regierung zu senden – wir
fordern:
Gebt
uns vertrauensvolle
Freiheit
und gebt uns Sicherheit in ökonomischen wie rechtlichen Fragen
– Denn
auch
ihr
werdet unsere
Arbeit
brauchen!
Wenn
die Zukunft einigermaßen okay
ausfallen
soll, müssen die Kreativen und Kulturschaffenden neue Freiräume
und Wertschätzung
erhalten.
Damit
wird uns allen –
Menschen wie Nicht-Menschen – geholfen,
aus der katastrophalen Verhärtung der Gegenwart herauszufinden!
Ich
danke euch!
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