In my last months in Berlin I have collected five little miniatures of occurrences around me. In German.
Fünf Berliner
Miniaturen
1
Zehlendorf, Rost- und Silberlaube der FU
Eine Freundin und ich suchen – schon leicht verpeilt – einen
neuen Arbeitsplatz. Das Bedürfnis nach Wasser Ab- und Zufuhr treibt
uns in nächste Herrenklo. Während sich die Flasche umständlich
schief füllt, erzähle ich von den Toilettenlogos im HKW. Dort sind
an einer Tür Männerköpfe mit Röcken und an der anderen lange
Haare und Brüste in Männerbeinen. Meine Freundin verlautbart, dass
sie sowieso finde, alle Toiletten sollen unisex seien, was soll der konservative Mist von gender-dualistischen Toiletten überhaupt noch?
In diesem Moment kommt einer aus den Kabinenklos und die Freundin ist instinktiv peinlich berührt ob des Eindringens in dieses männliche Stille Örtchen. “Das ist ein politischer Akt!” witzel ich um Spannung raus zu nehmen. Der Typ ist offensichtlich eher müde, will zum Waschbecken um
möglichst bald zurück zu was auch immer für einer
Lehrveranstaltung zu kehren. Um nicht grob zu wirken, gibt er ein
unbeteiligtes “Alles gut” von sich.
2
Kreuzberg, Kottbusser Tor
Einer Laune folgend, setze ich mich mitternachts an den Kotti. Ich bin
der einzige Weiße, alle anderen haben dunklere Hautfarben und sind
durch meine sitzende Anwesenheit etwas verunsichert. Ein - vermutlich -
Latino kommt locker zu mir und fragt ob ich was brauche. Ich verneine
freundlich und lass ihn bei beidseitiger Sympathie vorbeiziehen.
Hinter mir sitzt ein ununterbrochen abgehackte arabische Sätze in
sein Telefon sprechender Typ, der auch immer wieder anderen kleineren
Boys Anweisungen und wohl auch anderes gibt. Ich schaue lieber nicht
zu genau – fühle mich auch so schon als Zivilbulle eingeordnet und
allgemeine Verunischerung produzierend. Meine Sorge beruhigt der Latino
etwas, der zurück schlapft und mit leicht verliebten Blick fragt, ob
ich denn sicher sei, nichts zu brauchen. Wir mögen uns und ich denke
mir, wie interessant das ist. Mir, als zufällig der weißen Majorität angehöriger ist
der Raum abstrakt-rechtlich zugesichert. Deswegen muss ich mich nicht
konkret mit ihm auseinandersetzen. Die meiste Zeit laufe ich hier
augenlos durch, so wie die anderen Hipster, Kulturbürger_innen und
Bio-Käufer_innen. Setze ich mein abstraktes Recht auf diesen Raum
ins konkrete um, merke ich, wie mir dieser gar nicht gehört. Wie
dieser, gerade weil die Boys um mich von diesen System eher
diskriminiert werden – und also nicht der abstrakten Raumgarantie
trauen können – konkret einen Raum besetzten, von dem ich sofort
instinktiv fühle, dass er nicht wirklich meiner ist,
sobald ich die Ideenwelt des eiligen Passanten verlasse. Eine oberflächlich friedliche Koexistenz der verschiedenen Ideensphären.
3
Tempelhofer Feld, Mittags
Drei Kinder radeln – vielleicht soeben von der Schule befreit –
eilig davon. Zwei fahren in der Kolonne nebeneinher und reden,
während der vermutlich türkisch-stämmige Junge eher als Satellit um sie
kreist und sich sichtlich ignoriert fühlt: “Mann ihr Blondinen,
jetzt schaut doch mal her!” Die beiden reden unbeeindruckt weiter.
“WWAAAAHHH – ich will auch im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit
stehen!!”
4
UdK, Bildhauereiklasse
Zwei Bildhauerei-Studierende unterhalten sich während der lauten
Arbeit. Der eine erzählt der anderen, dass er jetzt neuerdings in
Therapie sei, und welche Vorzüge die Psychoanalyse habe. “Da
bekommt man Jahre eine staatlich finanzierte Person zu Verfügung
gestellt, auf die man einfach alles projizieren kann. Mit der man
machen kann, was man will.” Seine Gesprächspartnerin ist sich
einig über die Vorzüge der Psychoanalyse, sie kenne auch immer mehr
ihrer Freund_innen, die in Therapie seien. In einem Anflug des
Übereifers verlautbart sie sogar, dass “es doch eigentlich ein
Menschenrecht für jedermann sein sollte, eine Person zu haben, auf
die man einfach alles – ohne Konsequenzen und Spätfolgen – projizieren kann. Das würde die Gesellschaft sicherlich um einiges
weiter bringen.”
5
Herrfurther Straße, Eingang zum Tempelhofer Feld
Ein blonder, dicklicher Junge radelt große Bogen schlagend vom
naß-nebelig verhangenen Tempelhofer Feld her und schreit in
unregelmäßigen Abständen: “EDEKA! EDEKA! Ich komme EDEKA!” Als
er mich in der herbstlichen Einsamkeit bemerkt, schreckt er auf,
fasst sich aber bald und lächelt mir ein spitz-freundliches: “Salam
a-leikum” zu.