As in the last years, I have contributed with a text in this year's (third) edition of the
ENTKUNSTUNG yearbook. This time it is a little short story / fictive speculation about a topos that interests me a lot these months. I call it "Verpasste Begegnungen" / "Missed Encounters" and I am working on several fictions that are exploring it. This publication is the first little glimpse on that work...
You can buy the yearbook
here - and the text will go online in the next weeks - you can also read it here:
Auszug aus:
Enzyklopädie
der Spezies, Kapitel 8: Kuriosa und wenig erforschte Spezies
(tentative
Übersetzung in die Menschensprache namens „Deutsch")
„Mensch“:
Die Menschheit war eine seltsam veranlagte Spezies, die eine kurze
Zeit lang einen blau-grünen Planeten in der spiralförmigen Galaxie
namens Milchstraße bewohnte. „Der Mensch ist das Maß aller Dinge“
war der Leitspruch ihrer wirkungsmächtigsten Philosophie und
trotzdem war ein nicht unwesentlicher Teil genau davon
besessen, dieses Maß zu überschreiten und auf sogenannte Aliens
zu
stoßen.
Von einer immensen Sehnsucht nach Fremdem und Anderem getrieben,
waren sie doch nie in der Lage dieses
zu finden, da sie bei der Suche stets in den eigenen Sinnhorizonten
gefangen blieben. Sie erspähten das Fremde höchstens unter
ihresgleichen, da sie sich als sogenannte Individuen
(vom Gesamten abgetrennte, solipsistische Einheiten) begriffen, was
zu eigenartigen Konflikten innerhalb
ihrer
führte. Derart tragisch veranlagt, waren die Menschen stets
unglücklich und neidvoll mit sich selbst beschäftigt, suchten
überall in ihrer kleinen Welt nach Anderen und konnten aufgrund
einer derart ungünstigen Veranlagung nie das eigentlich im
Überschuss um sie vorhandene Fremde aufspüren.
Lange
war es nicht gelungen, mit dieser
Menschheit Kontakt aufzunehmen. Jegliche Hinwendung Anderer wurde
scheinbar nicht wahrgenommen. Erst als sich die Menschen in einer
Phase des zaghaften wissenschaftlichen und technischen Aufschwungs
befanden, gelangen den Boten der Quats erste Erfolge. Mit einem Mal
reagierte die Menschheit auf die sie besuchenden Abgesandten –
anfangs durch sehr seltsame Medien wie vermittels Froschschenkeln
oder Bernstein. Doch mit einiger Geduld gelang es, die Menschen von
ihren bizarren Fetischobjekten abzubringen und mit ihnen eine stabile
Interaktionsform zu entwickeln.
Plötzlich
änderten
sich
die Menschen grundsätzlich
und ihre ignorante Selbstfixiertheit wandelte sich zu unvorhergesehen
großem
Eifer. Von Gastfreundschaft ergriffen, schienen die Menschen ihren
Besuchern nun den Aufenthalt so schmackhaft als möglich gestalten zu
wollen: Durch
festkörperliche Leiter
aus Kupfer, Aluminium und PVC,
die sie um den ganzen Globus spannten, ermöglichten sie den Quats
ein sicheres Vorankommen in der ihnen untypischen Atmosphäre.
Weiters wurden
tempelähnliche
Strukturen
erbaut,
in denen den Besuchenden seltene Materien (morbide
Stoffe
wie z.
B.
geologische Ablagerungen früherer Bewohner
des Planeten) zum Geschenk dargeboten
wurde
um
ihnen
einen Platz zur Regeneration zu
schaffen.
So ergriffen von gastgeberischem
Eifer waren nun die Menschen, dass sie gar neue Landstriche
erschlossen, nur um ihren Besucher_Innen
weitere Tempel zu errichten.
Außerdem
entwarfen
sie immer
raffinierte
Gerätschaften, bloß um mit ihren Besuchern auf unzählige Weisen zu
spielen, zu reisen, zu plappern, etc. Die
Menschheit schien
plötzlich
und für sich
selbst unerwartet aus ihrer Selbstzentrierung gefunden zu
haben
und umgarnte
nun
mit überschwänglicher Freude die lange
sehnsuchtsvoll
gesuchten Aliens .
Anfangs
wurde dieses euphorische Verhalten der Menschen freudig und
nur
leicht verblüfft angenommen. Doch im Laufe der Jahre mehrte sich
Misstrauen unter den Quats. Wie kam es, dass eine derart in sich
verschlossene Spezies von
einem
Tag auf den anderen eine ekstatische Willkommenskultur entwickelte?
Woher kam die plötzliche,
übergroße
Bereitwilligkeit, den blau-grünen Planeten mit dem Besuch zu teilen?
Um
sich über derartige Fragen Klarheit zu verschaffen, begann man die
Kommunikationsabläufe zwischen den Menschen untereinander genauer zu
studieren. Es erwies sich als unerwartet kompliziert, die Sprachen
einer so komplex geneigten Spezies zu analysieren und erst nach
Jahrzehnten konnte man grundlegende
syntaktische und semantische Spezifika ihrer Kommunikationsweisen
feststellen.
Besonders langwierig gestaltete sich die Forschung deshalb, weil sich
keine Bezugnahmen auf die besuchende Spezies der Quats in den
Menschensprachen finden ließen. Bloß von wissenschaftlichen
Entdeckergenie und ähnlich narzisstischen
Neigungen war in der Nähe der die Quats betreffenden semantischen
Felder zu hören und zu
lesen
–
nichts aber über die Besuchenden selbst.
Dies
war derartig unerklärlich, dass man lange an den
Übersetzungstechniken
zweifelte und wieder und wieder nachfeilte, bevor man zum
unumstößlichen Schluss gelangte, dass die Menschen tatsächlich nie
von
ihren Besuchern sprachen oder schrieben. Warum war dem so? Gab es
hier ein Tabu? War es ethologische Pflicht dieser eigenartigen
Spezies über Gastfreundschaft zu schweigen? Oder war diese den
Menschen so selbstverständlich, dass Austausch darüber gar keinen
Sinn machte?
Man fand keine
befriedigende Antwort,
wieso man keine Spur seiner selbst in den Sprachen der Gastgebenden
fand. Dies nährte das bereits angefachte Misstrauen und es häuften
sich die Stimmen
unter den Quats,
die eine Falle befürchteten. Man fragte sich, ob man die Menschen
nicht falsch eingestuft hatte und diese nicht doch hinterhältig und
böse statt verkappt und selbstbezogen waren. Vielleicht —
so eine zunehmend lautere Befürchtung —
saß man einer großen Verschwörung auf, die so schwerwiegend war,
dass man sich
unter
den Menschen entschieden hatte, erst gar nicht von den Quats zu
reden, um sich auf keinen Fall zu verraten.
Solche
Unsicherheiten zeitigten ihre Wirkung —
wo man früher mit großer Euphorie über den geteilten Planeten
jagte, huschte man nun immer stockender über die Länder und Ozeane.
Hierauf reagierten die Menschen empfindlich, sprachen von mystischen
Energiekrisen, den begrenzten Ressourcen ihres Planeten und ähnlichen
Melancholien. Unter den Quats wuchsen
dadurch die Skepsis und die
Überzeugung
weiter, dass man lieber den blau-grünen Planeten verlassen sollte,
solange man noch konnte. Als die Menschen dann immer größere Flüsse
stauten,
nur um die Quats
zu unterhalten;
überall Windräder aufstellten, nur damit sie
auch von diesem meteorologischen Phänomen gekitzelt werden konnten
und man unter
den Menschen sogar
von Fusion zu sprechen begann,
brannte den Gästen das Vertrauen gänzlich durch und man entschied
sich, den blau-grünen Planeten zu verlassen und die Menschen
aufzugeben.
Erstaunlicherweise
brach die Kultur dieser
erstaunlichen Menschenspezies
gleich nach der Abreise ihres
Besuchs
gänzlich zusammen
und nur
wenige überlebten noch einige Jahrzehnte in – wie sie es nannten -
„steinzeitlichen“
Lebensbedingungen. Nichts ging mehr für die Menschen, als die Quats
die Flucht ergriffen. Ihre Versorgung brach zusammen, ihre
Kommunikation wurde unmöglich, ihre primitiven Verkehrsmittel
wollten nicht mehr - gänzlich gelähmt schienen sie und unfähig,
irgendwie weiter zu machen.
Was immer die
Menschen auch mit den Quats vorhatten
— für sie was es anscheinend
war ein
großer, fast unverdaulicher Schock, als diese unvermittelt
wegzogen.
Vielleicht
–
so die Meinung einiger
Enzyklopädisten
heute
–
waren die Menschen einfach nur
ungeheuer
einsam. Und als sie endlich —
und entgegen all ihrer Prädispositionen —
mit dem sehnsuchtsvoll gesuchten Anderen zusammenkamen, konnten sie
sich eine Existenz ohne dieses gar nicht mehr vorstellen.