I have written a little proposal of how brain-capacity could be mapped. It is a little attempt to use neuroscientific results productively for something that can be called philosophy. It was written in German and in less than five hours, to meet the given requirements, which I don't feel like specifying on this blog at the moment.
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Kartographierung der Gehirnkapazitäten
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Kartographierung der Gehirnkapazitäten
Hinführung
Ein Umstand, der mich
schon lange in seinen Bann zieht - und mit dem ich viele Probleme
hatte, ihn zu akzeptieren - ist, dass das Gehirn ermüden kann. Das
Gehirn - Sitz oder Zweiname1
unseres Geistes - ist keine in überirdischen Sphären schwebende
Entität mit unendlicher Kapazität. Es ist ein Organ wie jedes
andere und kann wie der Oberschenkelmuskel nach einem Marathonlauf
ermüden.
Da vielleicht eine der
grundlegendsten Erkenntnisse der Neuzeit jene ist, dass auch das
Denken in rein stofflichen Prozessen abläuft, wird man nicht
umhinkommen, den Begriff des "Denken" und die ihm nahe
verwandten der "Vernunft", aber auch den der "Reflexion",
der "Wahrheit", "Logik" oder "Kohärenz"
neu zu formulieren.
Erläutern wie diese
einleitenden, großspurigen Worte am Fall des Problemlösens und
ziehen als unfehlbares Exempel des kanonischen Menon-Dialog
von Platon herbei. In diesem löst ein Sklave - mit der Hilfe
Sokrates' - das Problem der Quadratur eines Quaders. Der Sklave
wusste davor nichts von Grundmathematik und musste sich die
Lösungsstrategie selbst erarbeiten. Nach gefundener Lösung erklärt
Platon/Sokrates diesen Vorgang als eine Anamnesis - einer
Wiedererinnerung. Der Sklave musste seinen Geist also irgendwie aus
der irdischen Welt in eine ewig wahre Ideenwelt erhoben haben und von
dort die Lösung zurück gebracht (=wiedererinnert) haben. Dieses
Motiv ist prägend für die abendländische Kultur in den folgenden
zwei Millennia. Die Lösung eines Problems findet sich in einem
überirdischen, unstofflichen Himmel, der die diesseitige Welt mit
Wahrheit ausleuchtet. Denken bestand also im Wesentlichen darin, sich
von der Stofflichkeit loszulösen - das Lösen eines Problems setzte
die Entfremdung von der realen stofflichen Grundbedingung des
Menschen voraus.
So dachte man - zumindest
im intellektuellen Mainstream des Abendlandes - für 2000 Jahre. Aus
einer Vielzahl von Gründen - wobei hier vielleicht nur die
Beschleunigung und Vermehrung von Input/Minute erwähnt werden soll -
sieht sich der Mensch aber seit spätestens Nietzsche wieder mit der
Stofflichkeit seines Denkens konfrontiert: man erkennt zusehends,
dass das Denken von physio-biologischen Prozessen abhängig,
vielleicht sogar mit ihnen gleichzusetzen ist - das vieldiskutierte
Phänomen der Neuroscience ist nur die gegenwärtige Eisbergspitze
dieser epochemachenden Erkenntnis.
Diese
hat selbstverständlich weittragende Konsequenzen für unseren
Begriff des Problemlösens - als anschaulicherer
Begriffs-Stellvertreter für das "Denken". In einem
Zeit-Artikel vom 6. Dezember 2010 wird vom Serendipity-Prinzip des
amerikanischen
Soziologen Robert K. Merton und der neurologischen Forschung in der
Nachfolge von Marcus Raichle, der mit Kernspintomografie die
Gehirnaktivitäten während Problembewältigungen untersucht hat,
berichtet2.
Demnach besteht die effektivste Problemlösungsstrategie nicht darin,
sich an einen Schreibtisch zu setzen und krampfhaft an dem Problem zu
arbeiten, bis man die Lösung gefunden hat. Viel produktiver soll es
sein, sich mit dem Problem so lange intensiv zu beschäftigen, wie es
- im weiteren Sinne - Spaß macht. Wenn man dann bemerkt, dass man
ermüdet - die Gedanken abdriftet, soll man sein Gehirn nicht dazu
zwingen, weiter aktiv über die Lösung nachzudenken. Stattdessen
soll man sich vom Schreibtisch loslösen, aufstehen und sich mit
anderen Dingen des Lebens beschäftigen, die einem gerade Spaß
machen: sagen wir, einen Spaziergang zu machen. Unser Gehirn ist
nämlich - so das Ergebnis jener Forschungen - in dieser leissure
time mitnichten
unaktiv. Vielmehr berichtet der Zeit-Artikel, dass ein Großteil der
Lösungsvorgänge im unbewussten, umherschweifenden Denken passieren.
"Die vorbewussten, intuitiven Netzwerke in Ihrer Großhirnrinde
erledigen den Job für Sie" wird der Hirnforscher Gerhard Roth
zitiert.
Unbestrittener Weise benötigt man zum
Problemlösen vorrangig Kreativität. "[D]as bewusste Denken
folgt oft [aber] nur den bekannten, ausgetretenen Pfaden. Wer allzu
verbissen nach der Lösung sucht, würgt häufig seine Kreativität
regelrecht ab."
Die effektivste Strategie zur Lösung
eines Problems besteht demnach also darin, sich eine Zeit lang
intensiv und bewusst mit dem vorliegenden Problem zu beschäftigen,
die Entscheidung aber zu vertagen: das Gehirn arbeitet nach diesen
aktiven und bewussten Denkanstößen automatisch weiter und löst das
Problem von alleine für einen.
Dieses
Konzept von Problemlösen ist diametral jenem entgegengesetzt, was
wir in Platons Menon veranschaulicht haben. Um ein Problem zu lösen,
geht es nicht darum, sich von allem Stofflichen zu befreien und in
aktiv in die überirdische Sphäre der Wahrheit vorzudringen.
Vielmehr empfiehlt sich - nach einem kurzen, intensiven Hochsteigen
in die bewusste Reflexion - eine Rückbesinnung auf die Stofflichkeit
- ein Vertrauen in
die Stofflichkeit: Vertrauen darauf, dass das Gehirn das Problem
schon alleine bewältigen wird. Die neurologischen Ergebnisse Ulrich
Schnabels implizieren, dass ein aktives Überlegen zu einem gewissen
Zeitpunkt von produktiv zu kontraproduktiv umschlägt: von da an
behindert man seine vorbewusste Großhirnrinde bei der
selbstständigen Problembewältigung, versucht man etwas
aktiv-bewusst dazu beisteuern.
Inhalt
Mit diesem radikal
veränderten Verständnis von Denken müssen wir wohl erst lernen,
umzugehen. Das Gehirn, Sitz des Denkens, scheint dem Magen ähnlicher
zu sein, als wir lange dachten3.
Wie der Magen nimmt das Gehirn schnell Inhalte auf, um diese dann
aber zu speichern und erst langsam zu zersetzen - um somit die
Stoffe, die gebraucht werden, zu extrahieren. Ein Inhalt - oder Input
- den das Gehirn aufnimmt, wird von diesem viel länger bearbeitet,
als wir uns dessen bewusst sind - im doppelten Sinne dieser
Redewendung. Ein Großteil unserer Denkprozesse läuft also unbewusst
ab - ein Umstand, mit dem sich auch erst die Moderne anfreunden
konnte. Wenn wir also ein Problem zu bewältigen haben, sollten wir
uns genau so verhalten, wie wenn wir Magenschmerzen haben: wir
trinken einen Cognac oder Kräutertee und warten, bis er seine
Wirkung tut und littern uns nicht so lange zu, bis die Beschwerden
vergangen sind (da sie durch dieses Verhalten wohl eher zunehmen
werden). Wir sollten uns also einem Problem - oder drücken wir es
neutraler aus: einer Aufgabe - nähern und ein paar Happen davon
durch unsere aktiven Gehirnwellen treiben. Dann sollten wir uns aber
zurück lehnen - oder mit anderem beschäftigen und das Gehirn das
Problem lösen lassen. Falls dies beim ersten Mal nicht klappt,
nehmen wir noch einen Happen und sehen dann zu, ob uns beim nächsten
Verdauungsspaziergang die Lösung einfällt.
An einem schnell
gezeichneten Diagramm verdeutlicht: Die horizontale Achse
symbolisiert den Bewusstheitsgrad beim Nachdenken über eine gegebene
Problemstellung, die vertikale Achse symbolisiert die Zeit, die dabei
vergeht. Am Anfang der Zeit wird mit einem Problem begonnen, am Ende
des Zeitdiagramms ist die Lösung des Problems erreicht.
Wie ich versucht habe, in
diesem Diagramm darzustellen, ist der Weg zur Lösung ein kürzerer =
schneller, wenn das (blau ausgemalte) Nachdenken weiter nach links
ins un- oder weniger bewusste abdriften darf, als wenn man es
krampfhaft während des gesamten Lösungsfindungsprozesses im
bewussten Bereich hält. (die Wellenlinien symbolisieren das
natürliche Abdriften bei einer langen geistigen Anstrengung)
Was mich im Sinne der
Aufgabenstellung an all diesem interessiert, ist eine
Kartographierung dieser (wieder?)entdeckten Stofflichkeit des
Denkens. Wenn wir Denken in der Folge meiner Ausführungen also
modern auffassen, wie sieht dann der effektivste Zugang zur Arbeit
und zum Denken aus?
Vielleicht waren die
Probleme, die im antiken Menon zu lösen waren, noch hinreichend
einfach, um in einem sit trough gelöst werden zu können.
Unsere heutigen Anforderungen ans Denken und Lösen erfordern aber
einen ganz anderen Zugang zum Kapazitätsmanagement unseres Gehirns.
Man könnte es so ausdrücken: was mich interessiert, ist, eine Karte
zu zeichnen, wie man am schnellsten durch die Stofflichkeit des
Gehirns kommt, um ein Problem zu lösen. Lange Zeit wurden in
platonistischer Tradition nur die aktiv-bewussten Gehirnareale als
schnellste Wege empfohlen. Dies ist heutzutage allerdings obsolet
geworden: die aktiv-bewussten Highways unseres Gehirns sind längst
nicht alles, was zur Problembewältigung benötigt ist - die vielen
kleinen Zubringerstraßen, das dichte, viel flexiblere Netz der
kleinen Wege unserer vor- und unbewussten Großhirnrunde liefern erst
das Material, das den Highway in Bewegung setzt.
Form,
Medium
Unser Gehirn ist also
stofflich und alles was stofflich ist, sollte sich auch
kartographieren lassen. Allerdings wird nur in begrenzten Maße auf
unsere bisherigen Kartographierungstechniken zurückzugreifen sein.
Sloterdijk zeigt in seinem brillanten Weltinnenraum des Kapitals,
dass die Kartographie ein wesentliches Machtmittel des
abendländischen Westens war, dass die Machtergreifung über die Welt
erst ermöglicht hat.4
Insofern muss man sich also wohl auch eingestehen, dass das Projekt
einer Kartographie der Gehirnkapazitäten eine Machtergreifung über
ein neues Territorium bedeutet, dessen Beherrschung
noch unvorhersehbare Ergebnisse bringen wird.
Wie
sollen wir aber diese Karte zeichnen? Mit der Macht welches Mediums
wird sich diese Karte fabrizieren lassen? Es wird klar sein, dass
diese Karte wohl nicht Platz finden wird auf den klassischen
zweidimensionalen Blättern Papier auf die wir unsere
Landschaftskarten drucken. Als Philosoph vielleicht vorbelastet, gehe
ich immer noch davon aus, dass der Text die potenteste Fähigkeit
zur Kartographie - im Sinne von Repräsentation - innehat. Der
sprachphilosophische Verdacht des letzten Jahrhunderts, dass Sprache
gleich Denken ist, verdeutlicht dies, auch wenn er über das Ziel
hinausschießt. Wahrscheinlich wird das Medium dieser neuen
Kartographie aber nicht der Text, sondern der Hypertext sein - also
ein multimedialer Text, der angereichert mit Bild, Ton und Film
schnell zwischen vielen Ebenen umherspringen kann - eine Art
non-linearer Text also.
Konkreter
Um aber nicht nur in
theoretischen Prognosen zu verweilen, möchte ich kurz noch zeigen,
was auf einer solchen Karte interessant wäre zu verzeichnen.
Einerseits wäre sehr
interessant herauszufinden, wie sich die Koexistenz von mehreren zu
lösenden Problemen auswirkt. Es wird für ein Gehirn wohl kaum
möglich sein, jemals sich mit nur einem Gedanken, einem Problem
auseinanderzusetzen. Wie es aussieht, arbeitet unser Gehirn -
zumindest im Vor- und Unterbewussten, meiner Überzeugung nach aber
auch im Bewussten - immer an einer Vielzahl von Problemen
gleichzeitig. Wie sieht aber die Beeinflussung zwischen verschiedenen
Inhalten im selben Gehirn aus?
Zum Zeitpunkt 1 beginnt
man über Problem 1 nachzudenken - man beginnt, wie es am besten ist,
mit aktiven Überlegen und lässt es ins Vorbewusste abdriften
(Zeitpunkt 4). Zu diesem Zeitpunkt beginnen wir aber über ein
zweites Problem (aktiv) nachzudenken. Wie beeinflussen sich diese
zwei Denkprozesse? Sind die zwei Ebenen, auf denen die Gedanken
verfolgt werden, völlig unabhängig voneinander? Oder affizieren sie
sich gegenseitig? In hindernder Natur oder in bestärkender Natur?
Ich nehme an, dass es dem
Vor- und Unbewussten leichter ist, über mehrere Probleme
gleichzeitig zu sinnieren. Wahrscheinlich gibt es da gewisse
Probleme, die sich zu manch anderen symbiotisch, zu anderen parasitär
verhalten. Also Probleme der Kategorie A befördern und stärken sich
gegenseitig, während Probleme der Kategorie B sich behindernd und
negativ auf jene der Kategorie A auswirken.
Allein eine Bestimmung
dieser Kategorien - ihren Abhängigkeiten zu diversen Bedingungen,
wie Müdigkeit, Stimmungslage, Nahrung, Tageszeit etc. - wäre ein
riesiges Projekt.
Dann müsste man auch
noch bestimmen, wie sich verschiedene Ebenen der Bewusstheit
zueinander verhalten. Wieviele Inhalte sich gegenseitig befördern
können, ab wann welches Gehirn überlastet ist. Was Überlastung ist
und wie man sie am effektivsten abbaut. Woran erkenne ich Müdigkeit
meines Gehirns? Betrifft sie alle Bereiche des Gehirns oder nur
bestimmte Fähigkeiten? (Ist mein Gehirn also nur schreib-müde und
könnte noch leicht und erfrischt mathematische Gleichungen lösen,
oder betrifft die Möglichkeit alle Bereiche?)
Und zu guter letzt: da
mein Gehirn stofflich wie mein Oberschenkel ist, sollte sich dieses
auch genauso wie jener trainieren lassen. Intelligenz (im weiteren
Sinne, nicht in jenem auf einen veralteten Logikbegriff reduzierten
Sinne des IQ-Tests) ist also nicht (nur?) eine angeborene Fähigkeit,
sondern eine Sache des Trainings. Genausowenig wie ein Läufer
niemals ohne jahrelanges Training einen Marathon gewinnen würde,
würde ein Denker jemals den Nobelpreis oder
was-auch-sonst-für-eine-Leistung-man-als-groß-erachten-will ohne
viel, viel Training erreichen. Eine hier angedachte Kartographierung
der Gehirnkapazitäten könnte das Territorium zeigen, auf dem man
Trainingspläne erstellen kann, anhand derer man das
Intelektuellentum vielleicht ein bisschen unabhängiger von sozialer
Klassenherkunft machen kann.
Meta-Karte?
Abschließend sei
vielleicht noch gestanden, dass diese Ausführungen weniger eine
Karte, als ein Konzept für eine zukünftige Karte sind. Das
Erstellen einer solchen Karte wäre wohl ein Projekt, dass zumindest
jahreslanges Einlesen in viel Forschungsmaterial und auch eine große
Menge von experimenteller Forschung erfordern würde, die wohl von
einer Einzelperson gar nicht machbar wäre.
Was Sie hier in den
Händen haben, ist also weniger eine Kartographie, als eine
Kartographie, die zu einer Kartographie hinführen könnte - eine Art
Meta-Karte, die den Weg zu Neuem weist. Und voilà - hier hätten wir
vielleicht die beste zeitgemäße Definition von Philosophie.
Kilian Jörg, 27/2/2014
1"Das
Gehirn ist der Geist selbst."
- S. 251 aus
Deleuze, Gilles: Was ist Philosophie?. Suhrkamp: Frankfurt / Main
1996.
2vgl.
im Folgenden: Schnabel, Ulrich: Vom geistreichen Nichtstun. zu
finden in Die Zeit N° 49/2010 und auf
http://www.zeit.de/2010/49/Geistreiches-Nichtstun/ (Abruf 27/2/2014)
3"Die
Philosophen des Abendlandes waren lange Zeit jene, die nicht mit
ihrem Magen zurecht kamen." - Arno Böhler in seiner Vorlesung
"Das Fleisch der Immanenz" am 21/1/2014 im Hs 50 der
Universität Wien.
4vgl.
hierzu insbesondere Kapitel 18 "Die Zeichen der Entdecker -
Über Kartographie und imperialen Namenszauber" in Sloterdijk,
Peter: Der Weltinnenraum des Kapitals. Suhrkamp: Frankfurt / Main
2006.
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