Montag, 12. Oktober 2015
Zum Anlass der Wienwahl
Unsere
politische Welt definiert sich kaum mehr durch eine Auseinandersetzung
zwischen Links und Rechts, sondern mehr und mehr durch eine zwischen
Establishment und Pöbel. Ein systemkonservatives Establishment versucht
die Stellung zu halten gegen das laute und gänzlich irrationale Lärmen
des Pöbels. Und innerhalb dieser neuen politischen Konfiguration geht
jede progressive, ehemals "links" genannte Politik unter.
Ein älterer Freund ist erstaunt darüber, dass "die Guten heutzutage teil des Systems sind". Mit den radikalen Politikzellen der 70er und 80er und deren shismatischer Revolutionspolitik groß geworden, wundert er sich, dass er heute mehr und mehr zum Establishment halten muss, dass er einst bekämpfte. Denn die einzige realistische Alternative ist die laute, inhaltslose Politik des Pöbels, die mit schlechten Schüttelreimen und einer aufs Ressentiment der Minderpriveligierten abzielenden Propaganda ein Programm fährt, von dem jede_r halbswegs Gebildete weiß, dass dieses genau jenes Land wirtschaftlich, kulturell und sozial ruinieren wird, welches es in so neo-faschistoid-nationalistischen Tönen glorifiziert.
Ein älterer Freund ist erstaunt darüber, dass "die Guten heutzutage teil des Systems sind". Mit den radikalen Politikzellen der 70er und 80er und deren shismatischer Revolutionspolitik groß geworden, wundert er sich, dass er heute mehr und mehr zum Establishment halten muss, dass er einst bekämpfte. Denn die einzige realistische Alternative ist die laute, inhaltslose Politik des Pöbels, die mit schlechten Schüttelreimen und einer aufs Ressentiment der Minderpriveligierten abzielenden Propaganda ein Programm fährt, von dem jede_r halbswegs Gebildete weiß, dass dieses genau jenes Land wirtschaftlich, kulturell und sozial ruinieren wird, welches es in so neo-faschistoid-nationalistischen Tönen glorifiziert.
Die
dominante, neoliberale Politik der letzten Jahrzehnte war erfolgreich.
Mit ihrer systematischen Aushöhlung des Sozialstaates und
Vermarktlichung beinahe aller Domänen des früheren Gemeinwesens
(Gesundheitswesen, Bildungswesen, Infrastruktur, öffentlicher Transport,
...) hat sie es geschafft, aus dem ehemals nach links tendierenden
Unterschichten einen maulenden Pöbel zu machen, dem sich kein
vernünftiger Mensch (so links oder "radikal" sie oder er sich auch
definiert) mehr anschließen kann: man muss zum Establishment halten, um
der inflationären wie gefährlichen Idiotie entgegenzutreten. Deswegen
ist es auch für die Merkels und Cos so leicht, sich heute als Stimme der
Vernunft zu gerieren (in der Flüchtlingsfrage, Umweltpolitik, usw.),
der man mit Widerwillen zustimmen muss: weil sie oder ihre Parteien den
Kapitalismus so wuchern lassen haben, dass ein solch furchteinflößender
Pöbel erst entstehen konnte. Sie scheinen eine Welt geschaffen zu haben,
in dem sie beinahe noch das geringste Übel zu sein scheinen.
Bei der gestrigen Wienwahl sind wir nocheinmal knapp der Ochlokratie entkommen.
Durch ein in den Medien heraufbeschwörtes Duell zwischen rot und blau
haben sich viele dazu hinreißen lassen, das (rote) Establishment zu
wählen und wir sind alle zu recht erleichtert, dass die SPÖ doch die
eindeutig stimmenstärkste Partei geworden ist. Doch wäre es jetzt das
gefährlichste, sich auf dieser Erleichterung auszuruhen. Denn wenn sich
nichts Gröberes in der gegenwärtigen Politik ändert, wird dieses Spiel
ewig so weiter gehen. Halten wir weiter an unserem neoliberalen (mehr
oder weniger "sozialistisch" gefärbten) Paradigma der Kommerzialisierung
des gesamten Lebens fest, wird sie weiter einen lärmenden Pöbel
kreieren, der das gesamte politische Feld lähmt und wahre und notwendige
Politik verunmöglicht. Denn ob sie nun Front National, Tea Party, AFD
oder FPÖ heißen, durch ihr lautes und diskursiv völlig unbrauchbares
Gepöbel, lenken sie die Aufmerksamkeit auf populistisch wirksame Themen,
gegenüber denen sich das Establishment als Stimme der Vernunft
generieren kann und uns so zwingt, ihnen die unsere am Stimmzettel zu
geben. Wirklich zeitgemäße und drängende Themen, wie z.b. jene der
Ökologie, des Feminismus, der Globalisierung und der post-nationalen
Strukturen (die ein Fakt und keine Ideologie sind) werden so nie
besprochen und wir sind einer gefährlichen politischen Stagnation
ausgesetzt, die wiederum den den Pöbel befördernden Politikfrust
auslöst.
Eine
kleine Dystopie zum Abschluss: wenn das politische Spiel so weiter geht
wie bisher, werden wir uns früher oder später in einem Kastensystem
finden. Irgendwann wird die Elite, das Establishment in Übereinstimmung
mit der gebildeteren Bevölkerung der Meinung sein, dass der Pöbel seine
Stimmfähigkeit verloren hat. Man wird erkennen, dass sein Lärmen zu
schädlich für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung ist und wird
die Demokratie langsam abbauen, um die staatlichen Strukturen zu retten.
Es wird mehr und mehr (und erschreckender Weise: zu recht) als "vernünftig" gelten, nur jene am politischen Prozess teilhaben zu lassen, die privilegiert genug sind, sich seiner Staatsraison anschließen zu können.
Um
dies zu verhindern, muss sich etwas grundlegend ändern. Wer weiter an
der Demokratie festhalten will, muss sich dessen bewusst werden, dass
der Kapitalismus dabei ist, sich von der Demokratie zu emanzipieren (s.
hierzu u.A.: das unsichtbare Komitee oder Slavoj Zizek). Es ist an der Zeit sich zu entscheiden: Demokratie oder Kapitalismus - beides zusammen wird nicht mehr lange funktionieren.
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