Merkwürdige Szene am Münchner Marienplatz: der
von Polizeizäunen umrahmte Pegidastand schallt um drei Uhr nachmittags
lautstark ein muslimisches Gebet durch angemietete Boxen, anscheinend um das
Läuten der katholischen Osterglocken zu übertönen und damit auf die so genannte
Islamisierung Europas hinzuweisen. De facto ergänzen sich Glocken und Allah
Akbar-Gesänge zu einer schönen Einheit und man könnte auch meinen, dass die
verdutzt umher stehenden Passanten von einer neuen Multikuli-Lösung für den
Münchner Hauptplatz überzeugt werden sollen, in dem neben der Kirche nun bald
auch eine Moschee stehen soll.
Diese diffuse Aktion hat etwas
tragisch-komisches, so hilflos verloren wanken die paar wenigen verschanzten
Pegidamitglieder in dunklen Sonnenbrillen, um der großteils lachenden und
Selfieschießenden Masse Buchtitel á la „Die Multikulti-illusion“ oder „Die Mär
vom friedlichen Islam“ zu präsentieren.
Wahrscheinlich handelt es sich um eine unfreiwillig
komische Performance der Folgen der eigenen Paranoia, die eine großartige
Parodie wäre, wäre die Realität dieser Patriotenvereinigung nicht an sich schon
so lustig. Die Pegida zeigt uns mit dieser Aktion sehr gekonnt, dass sie aus
Mangel an Wirklichkeitsgehalt ihrer Wahnvorstellungen die angeprangerten
Zustände erst selbst produzieren muss, um sich über sie ereifern zu können:
deswegen bringen sie das muslimische Glaubensbekenntnis vors Münchner Rathaus,
da sonst wohl noch kaum einer auf die Idee gekommen wäre. Die Überislamisierung des Landes ist so
wenig weit fortgeschritten, dass man als Gegner_in selber ein bisschen
Nachhelfen muss, um überhaupt Gegner_in sein zu können. Und als Gegner_innen
müssen sich die trüben Mittelstandsbewohner der europäischen Wohlstandsblasen
wohl fühlen, um überhaupt noch irgendwas zu fühlen.
Traurig ist dabei nur, dass diese Paranoia
tatsächlich Wirklichkeit produziert – dass
diese traurigen Aktivist_innen genau zu jenen
Dynamiken beitragen, die die weitere Entwicklung einer offenen, integrierenden
und pluralistischen Gesellschaft unterbinden und zu jener Angst und Abschottung
führen, die die Keime einer Verwirklichung der schrillsten Ängste der Pegida
sind. Ein gefährlicher Teufelskreis.
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