Brandon LaBelle's Imaginary Politics |
Während wir auf den Lift warten, der uns in die Penthouse-Studios in den obersten Stockwerken eines alten Herrenhaus im Wiener ersten Bezirk fahren wird, rollt die bekopftuchte Putzfrau mit ihrem Wagen heran, schließt das Studio der Malereiklasse auf und stöhnt laut auf: der ganze Raum ist Chaos, leere Flachen und Becher liegen überall herum, man sieht dem Boden förmlich an, wie klebrig er ist.
"Ahja - Künstler_innenhedonismus" lächelt meine Freundin betreten der gebückten Frau Mut zu, als wir einsteigen.
Im Lift führt sie weiter aus "Man darf nicht glauben, dass Künstler_innen bessere Menschen sind. Oft benehmen die sich am meisten daneben und man darf nicht vergessen, dass sie von den schlimmsten Leuten ihr Geld verdienen."
Oben lauschen wir dann Brandon LaBelle's säuselnder Stimme in dessen Workshop. Er präsentiert uns eine Auswahl seiner bisherigen Arbeiten, die er in den großen Gallerien der Welt von Chile bis Deutschland verwirklicht hat. Der Anglosachse erläutert uns mit surreal ausgeglichener Stimme, wie seine Arbeit für die Canada Games ("Rehearsal for a People's Microphone") eine Taktik der Occupy-Bewegung reflektiere. Die Stimme, die, von anderen Stimmen weiter getragen, das technische (von Elektrizität und anderen Infrastrukturen abhängige) Mikrophon ersetzt, um so unabhängiger von staatlicher Macht zu sein, wurde zurück in die Maschine übersetzt: ein Lautsprecher sprach einen bewusst nichts sagenden Text vor, den zwei andere Lautsprecher mechanisch nachsprachen. Dieser Geistermob fuhr auf einem Lastwagen durch die Spielstätten der - von u.a American Express, Deloitte und Konica Minolta gesponstorten - Canada-Games.
Auf die Frage, ob dies die Effizenz dieser politischen Methode verstärke oder schwäche, entgegnete LaBelle in gleichbleibend ausgeglichener Stimme "I think it did both" und auf die Frage, was er damit genau beabsichtigte und ob er mit seiner Arbeit nicht jene subversive Strategie genau - und ganz buchstäblich - jener Maschine einspeiste, die sie eigentlich bekämpfte, antwortete er: "I haven't thought about it yet" wonach er mit irgendwelchen selbstverliebten Kram über seine Arbeit ausholte, wobei er die New Materialists und andere zur Zeit schicke Philosoph_innen schlecht zitierte.
Politik, so verkündete er auch irgendwann mal, sei ein sehr relatives Unternehmen - es hänge sehr davon ab, von wo und wie man es betrachtet und die Beeinflussungen sind ebenso sehr subtil. Was man aus einer Perspektive als kaptialistische Vereinnahmung sehen kann, hat auf der anderen Seite viel gestalterisches Potential. Am Nachmittag stand eine Exkursion in eine Shopping-Mall am Programm, um sie auf ihre akustischen Eigenschaften hin zu untersuchen.
Dann stieg er wohl wieder in den Flieger und jettete in die nächste Großstadt, um den nächsten weißgestrichenen Klassen- oder Gallerieraum mit seiner well-balanced Stimme zu erfüllen.
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