Miriam Schmidtke has invited me to write a philosophical comment to her theater production "How to protect your internal ecosystem" which will premiere tomorrow, the 23rd of October, at Werk X in Vienna and will be on for a week.
The text can be found in the evening's handbill, the press folder and - later on - on the homepage. Read it here:
Miriam
Schmidtke – How to protect your internal ecoystem?
Die
ökologische Misere der Gegenwart könnte man mit folgendem Paradox
zusammenfassen: «Wir werden immer sauberer, die Welt immer
dreckiger.».Während die Körper, Räume und Gedanken der Menschen
im Laufe der Moderne einem immer höheren Reinheits- und
Glattheitsideal entsprechen mussten, verwandelte sich deren Umwelt in
ein vergiftetes, ausgelaugtes Wasteland.
Die
Haut muss haarlos, die Seele sündenfrei, die Vernunft rein, der
Handel reibungslos und die Straßen glatt sein – auf diesen
gesäuberten Bahnen kann man zwischen reinen Menschenwelten hin- und
herrasen, ungestört vom gehäuften Abfall am Wegesrand.
Miriam
Schmidtkes How
to protect your internal ecosystem?
hat
einen solchen modernen Reinraum (deutsch für ‘Cleanroom’) zum
Gegenstand und zeigt – gerade durch die bewusste Auslassung des
Wasteland
als
dialektisches Gegenstück zum Cleanroom – wie schmerzhaft und
zerstörerisch das in der digitalen Netzwerkkultur zur Spitze
getriebene Sauberkeitsideal für ihre Erleider_Innen ist.
Das
Setting des Stücks bildet der Cleanroom, ein künstliches
Produktionsmilieu in dem die Luftverschmutzung auf ein Minimum
reduziert wird, um das Einschreiben von Binärmustern im Nanobereich
unserer Siliziumchips zu ermöglichen. Unsere hypermoderne
Vernetzungskultur benötigt Räume von unnatürlicher Sauberkeit,
damit sich die glatten Oberflächen unserer Instagram-Stories,
Facebook-Feeds und News-Ticker in Lichtgeschwindigkeit um den Globus
spannen können.
In
diesem Reinraum beobachtet man zwei Wesen am Schmelzpunkt zwischen
Mensch und Maschine beim unheimlichen Versuchen der mimetischen
Annäherung an die ihnen vorgelebte, sterile Glattheit. Ihre
Kultur,
das ist jene der chronischen Einspeisung in Iszenierungssabläufe via
Live-Updates, sowie der permanenten Selbstoptimierung durch
Selbstüberwachung. An diesem Akkzelerationspunkt vermischen sich
einst binär gedachte Pole wie Arbeit und Freizeit («Mich in meiner
Freizeit zu präsentieren gehört nun mal zu meiner Arbeit.»),
Körper und Geist («Ich möchte, dass mein Körper Nebensache ist.
Dafür ist er in meinem Kopf nun mal die Hauptsache.») Sinn und
Zweck oder eben Mensch und Maschine. Ihre Bewegungen erinnern an die
simulierte Natürlichkeit von den Sims,
gepaart mit den effizienten Bewegungsabläufen von automatischen
Staubsaugern. Sie führen monologisierende Gespräche über die Vor-
und Nachteile von Schlafen und Wachen, Essen und Hungern, Sein und
Nicht-Sein – alles ist sinnlos, doch genau darüber können die
sonst so öffentlichkeitsgewandten nichts ausdrücken. In der
geloopten Trivialität ihrer sterilen Lebenswelt ist es auf einmal
die Zusehende, die den reibenden Schmerz dieser Entfremdungskultur zu
spüren bekommt. Denn die seelischen und kapitalistischen Innenräume
auf der Bühne sind zu reingehalten, um noch irgendwas anderes als
ein «Weiter wie bisher» für ihre Protagonistinnen transportieren
zu können.
Man
erahnt : In diesen glatten Sauberkeitsräumen reproduzieren sich
die kulturellen Kategorien des Abendlandes in intensivierter Weise
fort : der Körper, das ist nur ein schweigender Diener des
Geistes, der sich mit Fieberglaskabeln um die Welt gespannt hat. Die
Charaktere möchten, dass ihr Körper Nebensache ist, und dafür
müssen sie den Schmelzpunkt von Idealität und Realität erreichen.
Computeruhren, motivationale Taktung und chronisches
Motivationsfeedback helfen bei dieser Approximation an den reinen
Raum,
den Cleanroom, der hier weit über das Sujet der Chipentwicklung
weist, hin zum Kern unserer abendländischen Transzendenzkultur und
seiner Gewaltenteilung in Natur und Kultur, Körper und Geist, Welt
und Ideal. Der Cleanroom ist der irdene Versuch, den geistigen Himmel
auf Erden zu errichten – unter gänzlicher Auslöschung der Reibung
und Säuberung eines jeden nicht-konformen Partikels. Wohin diese
Schmutzpartikel gekehrt werden, wo die dreckige Unterseite dieses
idealen Reinheitsraum ist, bleibt auf Seiten des Publikums, welches
mehr und mehr das Wasteland
als
dialektisches Gegenstück zum aufgeführten Cleanroom in und um sich
fühlt.
Beglückt
schweben die beiden Menschmaschinencharaktere auf dem narkotisierend
gleichbleibenden Ambientloop durch diese schmerzhaft-fesselnde
Theaterstunde. Die erste musikalische Mimesis von maschinellen
Produktionszyklen waren der dreckige Detroit Techno der 80er und 90er
Jahre, der sich das grausame Hämmern unserer harten, rußernen
Stampfmaschinen aneignete. Der Techno reizte auf, ließ dadurch noch
die Gewalt unserer Industriekultur am eigenen Leib nachvollziehen.
Ganz anders geht es in diesem weißgewaschenen Reinraum der
Virtualitätskultur im 21ten Jahrhundert zu: die Schwerindustrie
wurde aus unserem Sichtfeld verlagert, outgesourced.
Nichts
reizt hier mehr auf – selbst der Techno, der kurz in einer
(körpernormierenden) Fitnessstudioszene aufploppt, klingt billig und
abgenützt. Schon bald zerfällt alles wieder in eine gleichbleibend
monotone Wischbewegung. Der Kreis ist die ideale Form. Die Acht das
Zeichen der Unendlichkeit, mit der sich am besten die größtmögliche
Sauberkeit erreichen lässt. Beglückt erzählt eine der beiden
Figuren vom Traum der zwei Geschirrspüler: «Einen Geschirrspüler
könnt ich mir kaufen. Vielleicht sogar zwei. Dann kann man von
einem, in den anderen hin und her räumen. Schmutzig, sauber,
schmutzig, sauber. Hin und her. Hin und her. Praktisch, nicht?»
Als
Zusehende findet man sich dieser Welt ausgeliefert, mit der wir alle
vernetzt sind. Durch ihre Zurschaustellung auf der Bühne können wir
erfahren, was wir im digitalen Alltag vielleicht schon übersehen:
wie schmerzhaft reibungsfrei diese Sauberkeit ist, wie weit der
Schmutz unserer hypermodernen Kultur bereits in monoton-kreisenden
Achterbewegungen aus unserem Sichtfeld gekehrt wird.
In
einer ökologischen Kultur jenseits der Moderne werden wir uns der
anderen Seite der Reinheitsräume, den Wastelands und toxischen, nach
jeder seltenen Erde ausgelutschten Landschaften, annehmen müssen.
Auch in ihnen werden wir Seßhaftigkeit erproben müssen um
Lebensformen jenseits der in ihrer Reinheit zerstörerischen Moderne
zu erfinden.
Die
Protagonistinnen in How
to protect your internal ecosystem? scheitern
an diesem Übergang, genau weil sie in den Innenräumen der modernen
Technologie gefangen bleiben: selbst nach dem Kollaps bleibt ihnen
nichts übrig, als dasselbe nochmals von Neuem zu beginnen – ihnen
fehlt das Vokabular für den Übertritt in die andere Zone. Doch sie
scheitern nur, damit wir – auf der anderen Seite der Bühne – es
besser machen können. Nach Miriam Schmidtke’s Stück haben wir
alle ein Gefühl dafür, wo die verschmutzende Vernetzung zu viel
geworden ist und andere Formen des Lebens die einzigen des Überlebens
sein werden.
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