Montag, 10. Dezember 2018

Männerwelt @ Philosophy Unbound #23 - A Thousand Masculinities



At the next philosophy unbound, "A Thousand Masculinities" I will present some ideas of a chapter (titles "Männerwelt" of my next upcoming book "Backlash - Essays zur Resilienz der Moderne" which will appear at Textem in 2019.

Philosophy Unbound #23 will take place on 19th of December 2018 @ Sprizer im Odeon, 1020 Vienna
more information: http://philosophyunbound.tumblr.com/

Donnerstag, 15. November 2018

Clubmaschine Release @ Harry Klein Munich, 24.11.2018


Saturday the 24th we'll have the second release event of our book "Die Clubmaschine" - this time in Munich's Harry Klein. We will be supported by our wonderful friends Larissa and Lena on the DJ-Decks and there will be cheap food for all! After the reading (approx. 21h), Alinka will be on the decks and tps nostromo will do visuals until Bavaria’s bizarre Tanzverbot is taking action at 2h! Happy Totensonntag!


Flyer design & illustrations by Amelie Lihl


And btw: we have just published an Interview about the book in Vanguardist!


Montag, 5. November 2018

Work, Art & a Good Life #3 - 18-22nd November 2018 @ im_flieger

Work, Art & a Good Life will have its third edition as part of Lisa Hinterreithners Lab AFTER TOO MUCH. Together with Michael Hirsch, I will be giving a lecture  about the political potential of not-acting (drawn from some interim conclusions from the ongoing project Nietzsches Neue Vorsicht) on 21st of November, 19h. More Information tba.


Montag, 22. Oktober 2018

Die Clubmaschine

--- German announcement of my German book release ---


mein erstes Buch DIE CLUBMASCHINE (BERGHAIN) - geschrieben in Co-Autor_Innenschaft mit Jorinde Schulz - ist nun beim Textem Verlag erschienen und es sieht auch wirklich wunderschön aus. Hier der Klappentext:
Das Berghain als Kondensat von Subkultur, als masturbatorisches Ereignis, als Geldmaschine. Über Subjektivierungsweisen des Clubs, über Befreiung und Gleichschaltung. »Die Clubmaschine« versteht sich als ein Mix aus Erfahrungsbericht, philosophischer Analyse und historischer Erzählung, der »das Berghain« als Inbegriff der Berliner Clubkultur unter die Lupe nimmt. Das Buch ist kein verklärender Szenebericht, sondern der Versuch, aus der Dunkelheit eines Clubs makropolitische Spannungen, Tendenzen und Widersprüche unserer Gesellschaft ans Licht zu bringen, den Untergrund dieser Maschinenliebe zu ergründen und das postindustrielle Lebensgefühl zu verstehen. Ein Zeitporträt anhand eines der angesagtesten Clubs der Gegenwart.
Ihr könnt es nun auch überall kaufen. Ich freue mich über jeden Kauf / Empfehlung an Buchhändler_Innen / Büchereien etc.



Das nächste Release wird übrigens am 24.11 im Harry Klein in München statt finden - Berlin ist dann im Januar dran. Mehr Infos kommen bald.
 



Außerdem hatten wir gestern auch einen Gastauftritt bei Thomas Edlinger in FM4 Im Sumpf. Das Gespräch könnt ihr noch eine Woche hier nachhören.


..."weil zweitausend Jahre Abendland sind genug"

Dienstag, 2. Oktober 2018

Die Clubmaschine - Viennese Release Event @ Venster 21/10/18

The book release of Jorinde Schulz's and my book "Die Clubmaschine" (Textem 2018) is coming very near. On 14th of October you should be able to order it. Find below the invitation to the Viennese release event on 21st of October 2018.



---- English version below ---- 

Techno am Sonntag! Die Book-Release von "Die Clubmaschine" (Jorinde Schulz & Kilian Jörg) und lena:k's Arbeit "Soundselfies" sind der Anlass für gleich zwei Experimente:
1) ein Clubevent in Wien, das um 16h am Sonntag beginnt
2) die Kombination von Club und Lesung auf neuartige Weise. Während der Clubsound der Musikmaschinen über die Tanzfläche wummert, wird in ähnlich repetitiver Weise das Buch "Die Clubmaschine" den gesamten Abend im Vorraum vorgelesen. Dafür haben wir eine Mischung aus Locals und internationalen Acts eingeladen, die das Venster den gesamten Abend (Open End!) mit technoiden Sound bespielen werden.

Let's rave and read on Sunday - und: "Ich will eine Maschine sein, Arme zu greifen, Beine zu gehen, kein Schmerz, kein Gedanke. Ich will eine Maschine sein, Arme zu greifen, Beine zu gehen, kein Schmerz, kein Gedanke. Ich will eine Maschine sein, Arme zu greifen, Beine zu gehen, kein Schmerz, kein Gedanke. "

Die Clubmaschine - Lesung und Club
21. Oktober 2018, 16, Venster 99
veranstaltet von Maschinenraum / czirp czirp / philosophy unbound



---------- DJs & Live-Acts --------

16-18h Fernando Johanson Will
18-19h lena:k - Soundselfies (live)
19-21h Wittgenstein (Entkunstung)
21-22h Tardigrade (live)
22-24h Leclerc (Tongue)
24h- Open End: lena:k b2b KLN

--------- Zum Buch: -------------

maschinelle Lesung von Jorinde Schulz, Kilian Jörg & Guests. Das Buch erscheint am 14ten Oktober 2018 bei Textem Hamburg.

Inhaltsbeschreibung:

Das Berghain als Kondensat von Subkultur, als masturbatorisches Ereignis, als Geldmaschine. Über Subjektivierungsweisen des Clubs, über Befreiung und Gleichschaltung. »Die Clubmaschine« versteht sich als ein Mix aus Erfahrungsbericht, philosophischer Analyse und historischer Erzählung, der »das Berghain« als Inbegriff der Berliner Clubkultur unter die Lupe nimmt. Das Buch ist kein verklärender Szenebericht, sondern der Versuch, aus der Dunkelheit eines Clubs makropolitische Spannungen, Tendenzen und Widersprüche unserer Gesellschaft ans Licht zu bringen, den Untergrund dieser Maschinenliebe zu ergründen und das postindustrielle Lebensgefühl zu verstehen. Ein Zeitporträt anhand eines der angesagtesten Clubs der Gegenwart.

Kilian Jörg ist Philosoph und Künstler. Jorinde Schulz ist Autorin, Agentin und Aktivistin. Beide sind Mitglieder des Kollektivs philosophy unbounds und experimentieren als Autorenduo seit Jahren mit alternativen Schreibformen für Philosophie.

http://www.textem.de/2918.html
--------- "Soundselfies" lena:k -------

lena:k kombiniert Techno-Theorie mit Techno-Praxis in ihrer Arbeit "Soundselfies", ein Digital-Release mit einem überdimensionierten Booklet, ihrer Masterarbeit, die ebenfalls aufliegen wird. "Der Sound wird als Substrat begriffen. Im Dickicht von scheinbar unzähligen Möglichkeiten und Wiederholungen geht es mir darum, einen eigenen Umgang und Standpunkt zu finden. Soundselfies meint die Entwicklung dieses multi-dimensionalen Prozesses und verweist auf eine Zukunft, bei der elektronische Soundproduktion Commonplace wird, bei der es aber nicht weniger wichtig sein wird, kollektive Präsenzerfahrungen, utopische Räume und widerständige Szenen selbstbestimmt zu gestalten."

http://www.maschinenraum.cc/lena-k/


----- English version --------

Techno on Sunday! The book-release of "Die Clubmaschine" (Jorinde Schulz & Kilian Jörg) and lena: k's work "Soundselfies" are the occasion for two experiments:
1) a club event in Vienna, which starts at 16h on Sunday
2) the combination of club and reading in a novel way. While the club sound of the music machines is wallowing over the dance floor, the book "Die Clubmaschine" is read in a similar repetitive manner throughout the evening in the vestibule. For this we have invited a mix of locals and international acts, who will fill Venster the whole evening (Open End!) Wwth technoid sound.
Let's rave and read on Sunday - and: "I want to be a machine, arms to grab, legs to walk, no pain, no thought, I want to be a machine, arms to grab, legs to walk, no pain, no thought, I want to be a machine, arms to grab, legs to walk, no pain, no thought, "
(the books as well as the reading will be held in German – the language of techno is univeral ;)

----> Facebook Event <---- 

---- gefördert vom Bezirk Alsergrund ---

Sonntag, 30. September 2018

Nietzsches Neue Vorsicht - project exposé after two months of work in Weimar

Jorinde Schulz and me just finished two months of extensive work on our next book project as fellows of the Kolleg Friedrich Nietzsche in Weimar. Below you can find an exposé of our project in the making. We are excited about feedback, ideas and suggestions.


Nietzsches Neue Vorsicht Untersuchungen zum Denken der Blase

"Neue Vorsicht. — Lasst uns nicht mehr so viel an Strafen, Tadeln und Bessern denken! Einen Einzelnen werden wir selten verändern; und wenn es uns gelingen sollte, so ist vielleicht unbesehens auch Etwas mitgelungen: wir sind durch ihn verändert worden! Sehen wir vielmehr zu, dass unser eigener Einfluss auf alles Kommende seinen Einfluss aufwiegt und überwiegt! Ringen wir nicht im directen Kampfe! — und das ist auch alles Tadeln, Strafen und Bessernwollen. Sondern erheben wir uns selber um so höher! Geben wir unserm Vorbilde immer leuchtendere Farben! Verdunkeln wir den Andern durch unser Licht! Nein! Wir wollen nicht um seinetwillen selber dunkler werden, gleich allen Strafenden und Unzufriedenen! Gehen wir lieber bei Seite! Sehen wir weg!"1

Strafen, Tadeln, Bessern – das ist der erzieherische Reflex jeder überzeugten Person, das ist die diskursive Angewohnheit einer Vielzahl politischer Bewegungen und Akteure. Nietzsches „Neue Vorsicht“ trifft den wunden Punkt dieser Art und Weise, Zukunft gestalten zu wollen: wenn eine Politik der Transformation sich darauf versteift, Einzelne zu erziehen, erschöpft sie sich im „directen Kampfe“, im ständigen Dagegen-Sein. Ein Phänomen, das man nicht zuletzt im reaktiven Anfeinden beobachten kann, in dem manch emanzipatorisches Projekt affektiv verkümmert. Die Konsequenz eines moralistischen Anklage- und Abstrafungsgestus ist, so die unangenehme Erkenntnis Nietzsches, sich dem anzugleichen, was man eigentlich verändern wollte.
Es ist eine Loslösung von sokratisch geprägter Transzendenz und die damit einhergehende Lockerung der Engführung von Politik und Moral, welche Nietzsche den Blick frei macht, Theorie und Praxis radikal nach ihrer Wirksamkeit zu befragen – danach, was ein Wissen, ein Diskurs, ein Denken eigentlich tut, mit einem selbst und mit einem umgebenden Milieu.
Die einer solchen ätiologischen Betrachtung entspringende Praxis, welche hier unter dem Titel einer „Neuen Vorsicht“ vorgeschlagen wird, ist eine Haltung der radikalen Abschottung: „Gehen wir bei Seite! Sehen wir weg!“ Ist man dem politischen Aktivismus verschrieben, muss diese Empfehlung zutiefst provozieren. Denn auf den ersten Blick scheint sie ein Programm des stillschweigend konformistischen Eskapismus zu beschreiben, das mitnichten auf „alles Kommende“ einwirkt. Doch gerade aus einer politischen Perspektive wollen wir die Nietzsches Neue Vorsicht aktualisieren, um einen ökologisch informierten, affektökonomisch klugen und postmoralischen Begriff von Subjektivität herauszuschälen.

Ein Blick auf den Ecce homo erlaubt es, den Begriff zu differenzieren und einzubetten. In diesem Werk holt Nietzsche das Denken nämlich in vitalistischer Manier auf den Boden der klimatischen Bedingungen, der geographischen Verortung und der Funktionen des Stoffwechsels. Der oben beschriebene Ethos einer bewussten Abtrennung taucht hier wieder auf, als reichhaltiges Konzept einer situierten Haltung – und das heißt zugleich als Geschmack und Selbstverteidigungsinstinkt:

"In Alledem — in der Wahl von Nahrung, von Ort und Klima, von Erholung — gebietet ein Instinkt der Selbsterhaltung, der sich als Instinkt der Selbstvertheidigung am unzweideutigsten ausspricht. Vieles nicht sehen, nicht hören, nicht an sich herankommen lassen — erste Klugheit, erster Beweis dafür, dass man kein Zufall, sondern eine Necessität ist. Das gangbare Wort für diesen Selbstvertheidigungs-Instinkt ist Geschmack. Sein Imperativ befiehlt nicht nur Nein zu sagen, wo das Ja eine „Selbstlosigkeit“ sein würde, sondern auch so wenig als möglich Nein zu sagen. Sich trennen, sich abscheiden von dem, wo immer und immer wieder das Nein nöthig werden würde. Die Vernunft darin ist, dass Defensiv-Ausgaben, selbst noch so kleine, zur Regel, zur Gewohnheit werdend, eine ausserordentliche und vollkommen überflüssige Verarmung bedingen. Unsre grossen Ausgaben sind die häufigsten kleinen. Das Abwehren, das Nicht- heran-kommen-lassen ist eine Ausgabe — man täusche sich hierüber nicht —, eine zu negativen Zwecken verschwendete Kraft. Man kann, bloss in der beständigen Noth der Abwehr, schwach genug werden, um sich nicht mehr wehren zu können.“2

In diesem Zitat wird deutlich, dass Nietzsche die Neue Vorsicht auf Überlegungen affektökonomischer wie klimatisch-ökologischer Art gründet. Der immer drohende Burnout einer neinsagenden („kritischen“) Haltung – den man vielerorts als Hang zur Aufreibung innerhalb der politischen Aktion beobachten kann – rührt daher, dass jede Handlung, jede Äußerung „dagegen“ eine Ausgabe von Kräften ist: Nicht nur „verdunkelt“ Kritik, sie „kostet“ auch. Daher gilt es Nietzsche, sich selbst in optimalen klimatischen und geographischen Bedingungen zu situieren, um die eigene Lebenskraft zu erhalten und zu steigern. Vordergründig geht es dabei um die volle Entfaltung individueller Ressourcen in einer Umwelt, die keine „Stacheln“ und kein Neinsagen erfordert. Doch die ästhetische – d.h. sinnlich erspürte – Selektion einer Umgebung muss sich die Frage nach einem Austausch stellen und führt damit auf einen größeren Immanenzzusammenhang: Wie man wirken kann, hängt von einem Stoffwechsel, einem Affizierungsgeschehen zwischen Individuen und Umgebung ab. Und so führt die Selbstgestaltung zur Ökologie3: die Wissenschaft von den Wechselbeziehungen zwischen den Lebewesen und ihrer Umwelt - und Lehre vom „Haushalt der Natur“.4
Wie nun nutzt Nietzsche seine Sensibilität für Stoffwechselprobleme?
- Gesetzt, ich trete aus meinem Haus heraus und fände, statt des stillen und aristokratischen Turin, die deutsche Kleinstadt: mein Instinkt würde sich zu sperren haben, um Alles das zurückzudrängen, was aus dieser plattgedrückten und feigen Welt auf ihn eindringt. Oder ich fände die deutsche Grossstadt, dies gebaute Laster, wo nichts wächst, wo jedwedes Ding, Gutes und Schlimmes, eingeschleppt ist. Müsste ich nicht darüber zum Igel werden? — Aber Stacheln zu haben ist eine Vergeudung, ein doppelter Luxus sogar, wenn es freisteht, keine Stacheln zu haben, sondern offne Hände…"5
Sich als ständig vom Untergang bedrohte Minorität stilisierend wählt der Denker das vornehme Turin als Präferenzmilieu. Und outet sich als einer der ersten Denker der Blase.

 
Blasenwelten
Die Blase – als Inbegriff des geschlossenen, nährenden Milieus - hat zur Zeit eine immense Faszinationskraft und ist ein
case in point der Verquickung von ökologischen und politischen Phänomenen. Im dicht besiedelten 21ten Jahrhundert kennen wir sie nur allzu gut, Peter Sloterdijk hat eine ganze Philosophie auf ihr aufgebaut. Vom Mutterleib an leben wir in der sphärischen Umhüllung, die allerwenigsten schaffen es, diese erste Blase zu verlassen - und wenn, dann nur um in die nächste überzuwechseln: Stadtblasen, Kulturblasen, Intellektuellenblasen, Verschwörungsblasen, Filterblasen... Innerhalb des Sozialen nimmt die Blase eine ambivalente Doppelfunktion ein: Einerseits kann sie als Schutzraum auftreten, der durch eine gewisse Verschließung das Aufkeimen und Gedeihen alternativer Lebensstile und politischer Subkulturen ermöglicht6.
Andererseits sind Blasen auch Orte, wo harmonische Einigkeit und Übereinstimmung herrscht, die häufig kaum über die Grenze der eigenen Bubble hinausreicht. Hier werden Inhalte und Praktiken kultiviert, die sich im Inneren verstärken und einschwingen, ohne jedoch den Austausch mit einem „anderen“ Außen zu suchen. (Als bestes Beispiel kann man die demonstrativ und doch apathische Verstörung anführen, welche urbane Kulturbürger_innen, Progressive und Privilegierte einem kulturellen backlash entgegenbringen – diese Blasen fungieren nach Innen hin stabilisierend, nach Außen erwirken sie allerdings eine Verhärtung und Polarisierung.)

Mit der Markierung dieser Ambivalenz sind wir wieder bei der schon zu Anfang skizzierten Spannung einer Neuen Vorsicht angelangt, die zwischen einer effizienten Strategie des Entzugs und einer zynischen Kokonisierung zu oszillieren scheint. Es ergeben sich drei Schwerpunkte für unser Projekt:

Erstens geht es uns um die Neue Vorsicht als Haltung, die im Rahmen einer Politik der Wirksamkeit ein Handlungsrepertoire von kluger Abtrennung bis affektökonomisch kalkulierter Einmischung einzusetzen weiß. Um die Motivationen und Triebfedern dieser Ethik zu verorten, befragen wir Nietzsches Werk und Biographie ausgehend vom brillanten Denkportrait Nietzsches aus der Feder seiner engen Freundin und Verehrten Lou Andreas-Salomé. Außerdem setzen wir diese in Beziehung zu anderen Denkern der „Vorsicht“ wie Guy de Maupassant oder Julien Offray de la Mettrie.
Einen Seitenblick werfen wir auf Urgesteine des „chinesischen Denkens“ wie Laotse oder Konfuzius, da diesen ein strukturell durchaus ähnliches Heraushalten als Zentrum ihres gesamten ethisch motivierten Philosophieren gilt7. Im interkulturellen Abgleich unter Berücksichtigung der sozio-kulturellen Eigenheiten der jeweiligen Kulturräume wollen wir Erkenntnisse über die Bedingungen der Emergenz einer solchen Haltung gewinnen. 


Zweitens möchten wir die im ersten Schritt skizzierte Individualethik auf dem Feld einer ökologischen Vernunft ansiedeln. Hierunter verstehen wir ein Denken in ganzheitlichen Prozessen und Umweltzusammenhängen – in Abgrenzung zu einem primitiven Ökologiebegriff, der von einer Glorifizierung und einem Zurück zur „Natur“ lebt. Nietzsches klimatische, physiologische und energetische Überlegungen werden durch Lektüren neuerer ökologischer Denker*innen wie Isabelle Stengers und Ilya Prigogine, Josef Reichholf, Alf Hornborg zu einem dynamischen Ökologiebegriff geführt, der Ungleichgewichtssysteme und Metastabilitäten ins Auge fasst8. Die Auseinandersetzung mit einer ökologischen Vernunft steht dabei in einem engen Zusammenhang zu feministischen Beiträgen, welche die Verquickung und Engführung des Weiblichen mit dem Natürlichen kritisch untersucht und dekonstruiert haben, wie beispielsweise die von Carol Merchant oder Klaus Theweleit. Ökologisch zu denken heißt so bisweilen, als weiblich unterdrückte Phänomenbereiche neu ans Licht zu bringen (Vulva!), und geht mit einer Reflexion von Geschlechterverhältnissen einher. Der auf ersten Blick typische Mannsphilosoph Nietzsche kann sich so auf den zweiten Blick als weiblich-weibischer Denker outen.
Für eine Ethik des Lebens im Anthropozän scheint eine solche Ästhetik der Gestaltung von und Einhegung in atmosphärische und immersive Machträume sowie ökologischen Nischen unausweichlich. Ausgehend von der von Latour aufgestellten These, dass uns in diesem Zeitalter des Hereinbrechens ökologischer Katastrophen mehr und mehr die geteilte Welt abhanden gekommen ist, wollen wir diesen Zustand als (vorerst) irreversibel anerkennen und für ihn progressive ethico-politische Lösungen und Strategien erarbeiten. Entgegen einer in progressiven wie konservativen Lagern verbreiteten Tendenz auf diesen Realtitätsverlust mit dem Beharren auf das Wiedererlangen einer universal geteilten Welt zu reagieren, wollen wir als produktiveres Gegenangebot eine Ethik des Blasendaseins entwickeln, welche politische wie andere Handlungen stets innerhalb ihrer ökologischen Situiertheit begreifen will.



Drittens soll die Blase als soziopolitisches Phänomen mit spezifischen medialen Ermöglichungsstrukturen im Zentrum stehen und einen konkreten Testfall für den erarbeiteten begrifflichen Rahmen abgeben. Das Ziel ist es, dieses sozialstrukturelle Gebilde analytisch zu greifen und Strategien des Umgangs mit ihm zu entwerfen, die ganz konkret fragen, wie sich Sozialitäten der Blase zwischen verschlossener Echokammer und ermöglichendem Schutzraum gestalten lassen. Das gegenwärtig virulente Motto „Raus aus der Blase“ verfolgen wir in seine psychologischen und metaphysischen Prämissen und fragen, wie wir nach dem Tod einer geteilten Welt dem Schwindel einer umfassenden Entfremdung begegnen, ohne auf den Backlash-Trick neuer monumentaler Transzendenzen hereinzufallen. Perspektivismus und progressive Zukunftsvektoren, die Einzelsegmente der Gesellschaft verbinden können wie geht das zusammen?9 Das sich hieraus ergebende Lob der Narration rührt aus der Erkenntnis, dass eine Realtität ohne Zukunftsvektor (no future) nie den vollen sinnlichen feel einer Realität haben kann. Dadurch wollen wir neue Perspektiven auf viel (aber oft engstirnig) diskutierte Probleme wie "Post-Truth", Filterblasen und alternative Fakten anbieten. Bleiben wir der Wahrheit treu! Aber versuchen wir sie nicht in einem großen Rückfall in den Platonismus (nach Nietzsche) zu zementieren… Denn vielleicht gibt es sie auch nur im Blaseninneren?


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1Friedrich Nietzsche: Fröhliche Wissenschaft, § 321
2Friedrich Nietzsche, Ecce homo, Warum ich so klug bin, 8.
3Der Begriff der Ökologie taucht bei Nietzsche selbst nicht auf – liegt aber unserer Meinung nach wie oben skizziert bei ihm angelegt. Zudem ist das Irdische ein übersehener Faktor in seinem Denken, wie es schon Deleuze betont, und neben der Betonung der Leiblichkeit der Vernunft zieht sich auch die Berufung auf die Erde durch sein Werk.
4So steht es im Duden. Abgerufen auf duden.de am 25.08.16.
5Friedrich Nietzsche, Ecce homo, Warum ich so klug bin, 8.
6 Im Kapitel „Tür“ aus unserem Buch aus unserem Projekt Die Clubmaschine, lesen wir den Club als eine solche Blase, in der erst die Verpanzerung durch harte Betonmauern und noch härtere Türsteher es ermöglicht, minoritäre Sexualitäten und Körperlichkeiten zu entwickeln.
7 vgl. z.B. Jullien, François: Über die Wirksamkeit. Merve Verlag: Berlin 1999.
8 Insbesondere Josef Reichholfs schmalen Band "Stabile Ungleichgewichte - Die Ökologie der Zukunft" halten wir für wichtig. Hierin versucht dieser - im Erbe Ilya Prigogines - der Ökologie das Gleichgewichtsdenken als humanistisches Missverständnis auszutreiben und vom Ungleichgewicht her zu denken.
9Dabei schließen wir an Überlegungen zu einer Interventionsstrategie an, die milieusensibel und affirmativ ist und aus dieser Haltung heraus Änderungsimpulse geben kann, die wir unter dem Titel „Das Anti-Chamäleon“ in der Zeitschrift engagée veröffentlicht haben.

Freitag, 14. September 2018

Cultural Workers Unite!: A Plea for a Voluntary Artist Solidarity Fund (ASF)

Together with Michael Hirsch I have published a manifesto proposing how to cope with growing precarity in a neoliberal art world. We conceive a voluntary Artist Solidarity Fund (ASF) as part of the coming New Deal designed to combat a future of gross inequality. As such we see it as one of many patches of a manifold utopian horizon needed for contemporary progressive politics. Cultural Workers Unite!



This manifesto can be found on e-flux and will hopefully soon spread its message...

Mittwoch, 5. September 2018

Becoming Anonymous Sound Machines

somebody has contributed (with the help of somebody else) to the anonymous NO NAME NEGRO PODCAST by the wonderful Hekura Records :)




Btw: the book will eventually be out on 4th of October! Release Events: 4th of October (Berlin), 21th of October (Vienna) - More Infos very soon!

Samstag, 1. September 2018

Interview for "The Public Life of The Mind"


I feel honored to have been invited to an interview by The Public Life of the Mind in London last June. In the interview I talk about philosophy unbound, its relationship to the arts and especially music as well as my personal take on what kind of practice of philosophy is interesting to me.

Mittwoch, 15. August 2018

Diskursivierung des Abscheulichen



I have written a little comment on Шапка (Schapka)'s wonderful protest-action against the Sponsor Red Bull at the Viennese PopFest 2018. It it I try to show what we can all learn from their attitude in opposing hate-posts and the political backlash in general.



Mittwoch, 30. Mai 2018

"Stoffwechsel - Ecologies of Collaboration" @ SOHO in Ottakring-Festival 2018

In the third year of our transdisciplinary research project "Stoffwechsel - Ecologies of Collaboration" we decided to open up the format and visit festivals to engage with the public in a larger scheme. For this purpose, we will be present & researching during the whole span of the two week SOHO in Ottakring-Festival starting this Saturday! Drop by anytime during the opening hours - we will be there and happy to exchange!

My personal research topic will this time be the simple word "We" / "Wir", which somehow also had an explosive role within our research assemblage as well as it does on a larger political spectrum. After investigating on "reasons" / "Vernünfte" last time, I am organically transitioning to the "We". The German word "Vernunft" etymologically derives from "Vernehmen", which is not far from "Einvernehmen", the condition required behind a WE. I will engage with the environment of the festival (the Sandleitenhof, one of Vienna's oldest social housing projects) to investigate what could be a new kind of "Einvernehmen" to create a WE, that escapes the politically dangerous tendencies of a separation of "US" and "THEM". 

A short publication on the field of the "WIR" - written in collaboration with Yasmin Ritschl, who will continue to collaborate from the distance - can already be found here. More updates of the project coming soon!





Im_flieger In_Forschung

Sat 2. – Sun 17.6. 18 (except Mon, Thu) //  5 to 9 p.m
Altes Museum/Wäscherei at Sandleitenhof, Gomperzgasse 1–3, 1160 Wien

tram 10 & 2 -> station Liebknechtgasse

stffwchsl WERKSTATT #3 goes SOHO in Ottakring
- an artistic workshop wants to be visited and expend itself www.stffwchsl.net

In cooperation with Soho in Ottakring Festival “Jenseits des Unbehagens. Arbeiten an der Gemeinschaft."

stffwchsl WERKSTATT #3 is artistic workshop and work at the same time. 7 artists from different disciplines open their artistic practice and cordially invite the visitors to be part of their research and to enter into dialogue. We want to draw attention to the desire  for a “stable and ideal world” shared by all, and its always necessarily processual state. This potential conflict also influences the discussion of artistic practice:  the claim and the expectations of a work as process is opposed to that of a communicable product ready to be consumed by an audience. stffwchsl WERKSTATT #3 researches art as a practice of life and follows the conviction that sharing artistic processes (as a work of art) enhances our view of the world. How can a different understanding of the world and its potentials of community be experienced?

stffwchsl WERKSTATT #3 is part of the transmedia research project STOFFWECHSEL- Ecologies of Collaboration with differently involved artists and theoreticans, experimenting with structural and artistic entanglements.

Contributers: Alfred Lenz (AT), Anita Kaya (AT), Axel Brom (AT) & Claudia Heu (AT), Jack Hauser (AT), Kilian Jörg (AT) & Yasmin Ritschl (DE/UK), Lisa Hinterreithner (AT), Sabina Holzer (AT)
& guests:
Anton Tichawa (AT), David Ender (AT), Elisabeth Schäfer (AT), Michael Hirsch (DE), Réka Kutas (HU/AT) , TE -R / Thomas Wagensommerer (AT) & Louise Linsenbolz (DE/AT), Thomas Ballhausen (AT), a.o. are invited to participate in the exchange with artistic  and theoretical interventions.
More info >> www.stffwchsl.net

INTERVENTIONS
Sat 2.6.18 // 17-21: 00 // presentation publication stoffwechsel_artists * book / materials of the research process STOFFWECHSEL - Ecologies of Cooperation 2016/17/18


Sun 10.6.18 // 17:30 // Les Landes  - letters from trees to Hélène Cixous / Lecture Performance / Elisabeth Schäfer (AT) 

Wed 13.6.18 // 19:00 // UMHERZIEHEN / walk / Claudia Heu (AT) & Axel Brom (AT)

Thu 14.6.18 / 19:00 // Work, Art & a good life # 2 / Lecture & Conversation / Michael Hirsch (DE)

Fri 15.6.18 / 19:00 // CAT CALL / Sound Intervention / TE- R (Thomas Wagensommerer (AT) & Louise Linsenbolz (DE/AT))




Dienstag, 15. Mai 2018

Philosophy Unbound #22: Radical Cities

After a longer, creative pause, Philosophy Unbound is back in Vienna with it's 22nd Edition! We've used this almost one year long phase of Viennese hibernation to rework on our concept and make it more interactive and outgoing. I think, our next Edition on "Radical Cities" - in collaboration with engagée Magazine, will be a great step forward and I hope to see many of you there. (I myself will be involved twice with a city walk and a little Night Lecture about the StVO. See you on Friday!


image 

Philosophy Unbound #22: Radical Cities 

18.05.2018 // 18:30h - Citywalk - 19:30h - Programm im Raum D
@ Raum D / Q21 im Museumsquartier, Wien

Cities are spaces full of contradictions: repression, surveillance and neoliberalism concentrate in them but at the same time they promise emancipation, innovation and social experimentation. “Radical Cities” will stage this contradictions in Vienna. The night will start with performances in public spaces in between Haus des Meeres and Mariahilfer street and then move on to Raum D in Museumsquartier. 

Performances
  • Kilian Jörg: „Stadt Sprechen Raum Lesen“  - Citywalk (18:30)
  • Steffi Neuhuber & David Hoffmann: Manifest
  • Alisa Beck: „Nein, eure Suppe ess ich nicht“ - Nebenwirkungen und Nachwehen widerständiger Praxis im mo.ë
  • Sandro Huber & Tizian Rupp: “Erleuchtung an und für sich“
  • Mads Floor Andersen & Sara Lanner: "Mosaic”
  • Hannah Maneck und Ivo Eichhorn: “Gallus beyond Gallus” (Film, Gießen/Offenbach 2017)
  • Gunnar Grandel: Raumstation
Installation/Publikation/Night Lectures

  • Anna Lerchbaumer & Klemens Kohlweis: Rauminstallation
  • engagée #6/7: “Radical Cities - Rebel Democracy”, das neue Heft gratis/gegen freie Spende.
  • Night Lectures: Claudia Heu (LA Tent Cities), Flora Löffelmann (De/Population) & Kilian Jörg (StVO)
Grafik: Oskar Mayböck

More Information tba @:

philosophyunbound.tumblr.com

Samstag, 12. Mai 2018

Oskar Nimmt Platz



University of Applied Arts is occupying Oskar-Kokoschka-Platz for a week and I will be participating on Monday in a performance with my colleagues from Arno Böhler's Dissertation-colloquium and the class of Cross-Disciplinary Studies of Angewandte. Drop by! We will be starting at around 16:30!

more information here

Mittwoch, 25. April 2018

Backlash: Männerwelt @Hekura Connections, AU 4th of May 2018

On 4th of May, around 19h, I will read another chapter of my upcoming book-project "Backlash - Essays zu Resilienz der Moderne" - this time on Masculinities. And again in collaboration with Hekura Records.




Liebe Freunde,

der sozio-kulturelle Backlash ist gekennzeichnet durch neue Patriarchalitäten und ein Zurückdrängen feministischer Errungenschaften. Männer wie Trump, Kurz, Erdoğan, etc. sind die augenscheinlichsten Agenten des Backlashs - darauf kann man sich bald einigen - doch wie genau funktioniert diese Dynamik neo-patriarchaler Männlichkeiten? Wo hat sich auch jenseits der offensichtlichen Beispiele eine sexistische Struktur selbst in "unseren", progressiven Kreisen erhalten, die jetzt zurück schlägt? Ist die Krise der Männlichkeit ein Zeichen für den Fortschritt des Feminismus oder eher ein Vehikel männliche Macht zu reterritorialisieren? Wo haben wir alle Teil am Backlash und wie kann die hartnäckige, geduldige Arbeit aussehen, diesem zu entkommen?

Anlässlich des Interesses beim letzten Mal, lese ich ein zweites Kapitel aus meinem aktuellen Buchprojekt "Backlash - Essays zur Resilienz der Moderne" vor. Im Kapitel "Männerwelt" setze ich mich mit oben genannten Fragen auf wissenschaftlicher, diskursiver sowie persönlicher Ebene auseinander. Wie beim letzten Mal, werde ich zuerst in die Thematik der Resilienz der Moderne kurz einführen, dann den Kapitelentwurf vorlesen um letztlich in eine hoffentlich reghafte Diskussion überzugehen. 



Ebenso wie bei letzten Mal, werde ich den diskursiven Teil der wunderbaren Hekura Connections stellen. Danach wird es wunderbare Live-Gigs von Mystorin, Model leatherette and AC/BOY geben. Ich freue mich auf den Abend!

Hekura Connections
4th of May 2018, 19h
@AU, Brunnengasse 76, 1170 Wien
https://www.facebook.com/events/822629551279319/

Samstag, 21. April 2018

Wie widerstehen? - Essay-Reaction with Sabina Holzer published at Corpus

Engaging creatively with the (worrying) political landscape of Austria and continuing our series of Essay Reactions, Sabina Holzer and me reacted textually to the first "Großdemo" against the new far-right government of Austria. The text has now been published at Corpus and can be found here.

found in the 15th Viennese district

Sonntag, 15. April 2018

Work, Art & a good Life #1 - Michael Hirsch in Vienna!

  

I am very honoured to be able to invite Michael Hirsch, a very exciting philosopher and political thinker, to Vienna for a prolonged weekend to discuss matters around work, art production and a good life. We will have a Lecture Panel on Friday the 20th and a public lunch on Saturday the 21st. See below for more details & I am excited to meet you there!

Work, Art & a Good Life #1 // Lecture and Panel


Fr 20.04.2018 // 19.00
Im_flieger@Depot, Breitegasse 3, 1070 Wien (U2/U3 Volkstheater)
Free entrance

What is artistic work? What kind of worker is an artist? Could it be a paradigm for post-industrial work-relationships? And if so, would this point towards creative liberation or neoliberal self-exploitation? What utopian potential can we find today in an ‘Avantgardist’ fusion of art and life?

19.00 Towards an Emancipatory Reconciliation of ‘Art’ and ‘Life’ // Lecture by MICHAEL HIRSCH (DE), philosopher and political scientist, works as freelance writer and lecturer.
20.00 Case examples, analysis and reflection about the current working conditions of the local independent dance- and performance field
by WIENER PERSPEKTIVE/working group SALARY LEVELS – WP open platform of the independent dance/performance/theatre scene in Vienna & Anita Kaya/Im_flieger. Moderation: Kilian Jörg, philosopher, Vienna
A Project by Im_flieger in Cooperation with DEPOT

Work, Art & a Good Life #1 // Reflection and Digestion

Sa 21.04.2018 // 11.00–14.00
Im_flieger@Bräuhausgasse 40/Souterrain/1, 1050 Wien (U4 Pilgramgasse)


A lunch gathering to digest the Friday evening’s outcome in a more intimate setting. Food will be served.
Limited capacity! Please register under imflieger@gmail.com ***

Freitag, 13. April 2018

Wie(n) Denken - a new plattform for discussion about the Institute of Philosophy of the University of Vienna

Together with some friends, I have started a new blog-project which wants to lance a discussion about worrying dynamics of exclusion and how to oppose them at the Institute of Philosophy at University of Vienna. I have written the first open letter, more will come soon in hope of a dynamic discourse that is currently lacking at the institute. Visit wiendenken.wordpress.com and please do join this very important discussion!

Die besorgniserregende Homogenisierung des Denkens am Institut für Philosophie

Offener Brief an alle dem Institut für Philosophie der Universität Wien Verbundenen

Ich habe die FÖP vier Monate nach Inskription zur Dissertation erfolgreich bestanden. Durch meine relativ gute Vernetzung konnte ich mich ziemlich illusionsfrei auf diese so gefürchtete Prüfung vorbereiten. Ich sah mir in den zwei Wochen davor die Profile der über mich entscheidenden Professor_innen an, entwarf meinen Vortrag so, dass dieser jeder/m zumindest ein bisschen entgegen kam – dass nur ja nicht zu viel Reibung, Unklarheit oder Zweifel aufkommen konnten und ich die Performance des souveränen, männlichen Philosophensubjekts („ich zeige euch wie ungeheuer viel ich weiß und weise euch sicherer Hand von A nach B“) problemlos spielen konnte. Teilweise setzte ich bewusst Unklarheiten oder Schwachstellen in meinem Vortrag, um die oftmals auf Demontage ausgerichteten Gremiumsfragen auf diese Köder abzulenken, anstatt mich an unvorbereiteten Stellen zu treffen.
All dies erachteten ich und die Freunde, die mir bei der Vorbereitung halfen, als konträr und feindlich zu philosophischem Denken: ein solches nährt sich doch seit seiner Entstehungsgeschichte von Zweifel, Unklarheit und Reibung. Darüber hinaus bedarf es einer Umgebung der Freundschaftlichkeit, um zu philosophieren. Die feindschaftliche Stimmung der Prüfung, die die FÖP auf beinahe alle Anwerter_Innen ausstrahlt, führt hingegen dazu, dass sich jede Position hinter ihren vorgefassten Denkschachteln und „Ismen“ verschanzt. So lässt sich nicht gemeinsam, engagiert und gewagt denken. Vielmehr führt es dazu, dass Akademiker_Innen nur mehr um Absicherungen ihrer Argumente im eigenen Diskurskreis besorgt sind. So wird gesellschaftliche Anschlussfähigkeit, die immer ein Stück Wagnis erfordert, in den meisten Fällen verunmöglicht, geschweige denn noch als Wert angesehen.
Es scheint mir, dass eine ähnliche Einschätzung der FÖP vom Großteil ihrer Anwerter_Innen geteilt wird. In zynischer Haltung unterwirft man sich der kritisch betrachteten Subjektivierungstechnik: man performed halt den Philosophen, wie sie ihn sehen wollen, verschwendet ein paar Wochen an die Vorbereitung und wird dann – sofern man sie besteht – für den Rest seiner Dissertation in Ruhe1 gelassen.
Es besteht hierbei eine Kultur des Schweigens gepaart mit einer „Augen zu und durch“-Mentalität. Auch ich fühle mich zu dieser hingezogen: ich habe es schließlich bestanden, mir im verhassten Spiel die nächsten drei Jahre erfolgreich freigespielt und das Erfolgserlebnis adelt auch den Zyniker: zurückblickend war ja alles nicht so schlimm, ich hab‘s geschafft und doch auch was dabei gelernt. Nach Bestehen identifiziert man sich mit der Institution, das überwundene Milieu der Angst hinterlässt im Aufatmen so etwas wie Zugehörigkeit: wir mussten da alle mal durch. Man lernt die Bescheidenheit der Geadelten: man hat noch so viel zu lernen, wieso sollte man sich selbst so groß nehmen? Darüber hinaus kann es nie für die Karriere günstig sein, wenn man jetzt noch the hand that feeds beißt – jetzt, wo sie einen eh schon durchgelassen hat.
Diese mir selbst naheliegende Geisteshaltung trägt zu einer starken Atomisierung des Instituts bei, in dem kein Dialog und Austausch geschehen kann: die BA- und MA-Studierenden fühlen sich gänzlich abgehängt von den Dissertierenden, diese sind zynisch, weil sie „eh nur Selbstausbeutung auf Zeit betreiben“, halten den Mund, weil sie von Ihren Professor_innen abhängig sind, welche wiederum alle in ihren einzelnen Diskursen und Problemen überbeansprucht sind. In diesem Klima kann kein Gemeinschaftsgefühl entstehen, welches notwendige Bedingung für philosophisches Denken ist. Dadurch sterilisiert sich das Institut immer weiter und bleibt komplett widerstandslos gegenüber der Einführung von neoliberalen Ausverkauf- und Zersetzungstaktiken – selbst wenn der Großteil der dem Institut angehörigen2 gegen diese wäre.
Um dieser Schweigespirale zu entkommen, möchte ich in diesem offenen Brief zwei Situationen, die ich während der FÖP erlebt habe und mich seit dem nicht mehr loslassen, wiedererzählen – in der Hoffnung, hiermit einen Polylog über die besorgniserregende  Lage des Denkens am Institut für Philosophie zu starten.

1) Die Institutsleitung hat mittlerweile erkennen müssen, dass die FÖP sexistisch ausschließend operiert: statistisch nachweisbar treten viel weniger Frauen als Männer an. Vor der Einführung der FÖP war das Geschlechtsverhältnis unter Dissertierenden 1:2, mittlerweile ist es 1:4. Solche Zahlen wurden beim Mittelbautreffen am 15. Januar vom Studienprogrammleiter präsentiert. Er lud ein, über Lösungsstrategien für dieses Problem, das „so nicht sein darf“, zu diskutieren. Darauf folgte eine einstündige Diskussion die – wie es auf einem Institut für Philosophie sein sollte – kontrovers und heftig verlief, dennoch aber einige Änderungsvorschläge zu Tage brachte. Leider brach der Studienprogrammleiter3 nach einer Stunde konstruktiver Strukturkritik die Diskussion unwirsch ab, in dem er wie folgt die aufgebrachte Stimmung übertönte: das es ja schön und gut sei, darüber zu debattieren, er aber auch ganz klar sagen müsse, dass er nichts an den Grundstrukturen der FÖP ändern würde, da diese sich ja nachweislich positiv auf die Qualität sowie die Reputation des Instituts nach internationalen Standards auswirken würde.
Danach war der Dialog beendet und die desillusioniert-zynische Grundstimmung des Studierendenalltags stellte sich wieder ein. Es breitete sich das Gefühl aus, dass sich die Leitung zwar gerne mal eine Stunde im Halbjahr für Diskussion mit den Studierenden nimmt, mehr aber nicht. Dem Diskurs wird hierbei performativ ein bürgerlicher Stellenwert zugeordnet: gerne darf man über alles leidenschaftlich debattieren, ändern wird sich dadurch aber so und so nichts, weil es zählen nur die äußeren materiellen Fakten und Standards.
Wie es die Statuten verlangen, erkennt man das Problem des strukturellen Sexismus der FÖP an. Bereit, an diesen Strukturen etwas zu ändern, ist man dann aber doch nicht. So „nervig“ (siehe unten) hat sich der Feminismus dann doch nicht in besagten Statuten festgeschrieben. Die „internationalen Standards“ – wie der weitläufige Deckname der neoliberalen Zersetzungspraktiken ist – wirken hierbei als Agens für den allerorts wahrnehmbaren sexistischen Backlash, der die schmalen Errungenschaften um Gleichberechtigung wieder rückgängig macht.

2) Nach der FÖP musste ich mit den drei anderen Vortragenden (wir waren nur Männer) relativ lange im Gang warten, um dann einzeln das Verdikt des Gremiums zu empfangen. Als ich an der Reihe war, begann der Studienprogrammleiter mir davon zu erzählen, wie kontrovers mein Dissertationsvorhaben diskutiert wurde. „Das ist ja so Meta-Philosophie, was sie da betreiben“ erklärte er mir „und für manche von uns riecht das nach 70er-Jahren und altbacken. Heutzutage sind wir da viel weiter. Wir Philosophen mögen es wieder, uns mit klaren Fragen und klaren Antworten zu beschäftigen. Wenn dann jemand von außen kommt und uns Phallozentrismus vorwirft, dann ist das ehrlich gesagt eher nervig für uns.“ In der Reinform wurde mir also gesagt, dass feministische Kritik “eher nervig” ist: wir sind da scheinbar schon viel weiter (immerhin diskutieren wir eine Stunde darüber und sehen alle das Problem gemeinsam). Außerdem kann man anscheinend nur von außen solche Vorwürfe vortragen, da dieser – nach dem Schock der 70er Jahre – restaurierte Männerbund der „Philosophen“ es innerhalb der wiedergewonnen Klarheit seiner Fragen und Probleme nicht sehen kann. Wenn selbst ich, als weißer, einigermaßen privilegierter Mann nach vieljährigem Studium am Institut als Außen stigmatisiert werde, wundert man sich um einiges weniger über die „subtile“ gläserne Decke im Metier.

In diesen zwei – an und für sich recht belanglosen – Erlebnissen spiegelt sich eine Geisteshaltung am Institut für Philosophie wieder, die zu einer gefährlichen Homogenisierung des Denkens führt. Ein marktkonformer, internationalen Standards entsprechender Denkstil breitet sich aus und vernichtet jegliche Pluralität im Denken. Damit macht sich die Philosophie selbst mundtot, weil niemand außerhalb der Akademie dieser Packungsware Journalphilosophie folgen kann oder will. Schon vor vielen Jahren – während des Bachelor-Studiums – war dieser Prozess der Homogenisierung zu vernehmen. Doch man fand noch seine „Outsider“-Seminare und Vorlesungen, die das Philosophiestudium lohnenswert machten. Heute sind die meisten dieser „Outsider“ verdrängt und es lässt sich kaum noch nachvollziehen, wie an Denken und Diskurs hungrige junge Menschen durch diese trockene Wüste finden sollen.
Ich schreibe diesen Brief nicht aus der Position des Bittstellers. Ich habe vom Institut für Philosophie alles, was ich für die nächsten drei Jahre von ihm will und meine Karriere wird sich nicht in seinen Kreisen abspielen. Auch finde ich außerhalb des Instituts viele Räume, in denen das Denken sprudelt und versuche dazu – mit einigem Erfolg – beizutragen, dieses Sprudeln in diversen Rahmen und Ländern zu vermehren.
Ich schreibe diesen Brief aus einem Gefühl der Besorgnis und Verantwortung: ich bin besorgt, um meine Ausbildungsstätte und empfinde, dass ich es dieser schuldig bin, zumindest einen winzigen Rettungsversuch zu unternehmen. Denn das Institut für Philosophie bleibt ein „großes Schiff“ für eine Kultur des Denkens, die wir in Zeiten wie diesen so sehr bräuchten wie schon lange nicht mehr. Wenn sich die Homogenisierung des Denkens am Institut wie bisher fortführt, wird dies letztlich zu einer Abschaffung seiner selbst führen. Denn das größte Institut für Philosophie Österreichs müsste an der Speerspitze eines lebhaften, lautstarken und vielstimmigen Diskurs stehen, den eine lebendige Demokratie braucht. Wenn es diese Aufgabe sich strukturell verunmöglicht, wird es so lange von den überall aufsteigenden Demagogen erfolgreich ignoriert werden, bis ihre Macht groß genug ist, es widerstandsfrei abzuschaffen. Ein lebendige Demokratie braucht eine pluralistische und hitzige Diskurskultur, welche vom Institut für Philosophie ausstrahlen könnte. Mit diesem Brief möchte ich den Versuch starten, diese einzufordern!

Für diesen Versuch ist die Wiederbelebung des am Institut aussterbenden Dia- und Polylogs nötig. Dieser offene Brief möchte als Stein des Anstoßes verstanden werden. Er findet sich auf einem neu eingerichteten Blog, auf dem jede_r sich von diesem Brief (positiv wie negativ) angesprochene antworten kann. Auch wenn die Einschätzungen und Meinungen sicher (und im Sinne von Pluralität: hoffentlich!) nicht von allen geteilt werden, hoffe ich eine Grundstimmung eines am Institut herrschenden Problems angesprochen zu haben. Um dieses Problem zu verorten und besser kennenzulernen, bedarf es einer Vielzahl an Stimmen, Perspektiven und Meinungen – um ein pluralistisches Institut zu fordern, muss auch ein pluralistisches Bild von ihm entstehen. Ich rufe dazu auf, auf dieser Plattform Geschichten von Ausschlüssen, Ärgernissen und Problemen, aber auch von positiven Momenten und Aktionen zu teilen und gemeinsam zu debattieren. Ausdrücklich jede_r soll sich eingeladen fühlen, hieran teilzunehmen. So belanglos und unwichtig einem die eigene Position erscheinen mag, sie ist wichtig zur Kartographie des Problemfelds und wir möchten sie alle teilen!

Die Teilnahme an diesem Polylog bedarf keiner und impliziert keine Zustimmung zu irgendetwas bereits in ihm gesagten. Durch diesen Blog soll ein Hypertext entstehen, um herauszufinden, wie man das Institut für Philosophie wieder für eine pluralistischere Ausrichtung zurück gewinnen könnte und soll ein erster aktiver Beitrag dazu sein.

1 Denn nur in der FÖP entscheiden fachfremde, im betreffenden Diskursfeld nicht eingelesene – womöglich diesem sogar feindlich gesinnte – Prüfer_innen über die Qualität der Dissertation.
2 Ich verstehe hierunter Studierende wie Lehrende aller Stufen und Anstellungsverhältnisse.
3 Der Name wird nicht genannt, da es hier nicht um die Person geht, sondern um die Funktion, die diese einnimmt.

Montag, 26. Februar 2018

Philosophy Unbound – DETEXT – New Delhi, 9th-10th of March 2018

- First more concrete informations on Philosophy Unbound: DETEXT are online! -

http://philosophyunbound.tumblr.com/

Philosophy Unbound is a collective devoted to opening up new forms and spaces for philosophy outside its classical habitats. After many successful events, workshops and performances in Vienna, Austria and Berlin, Germany, Philosophy Unbound will now investigate the possibilities of its format in New Delhi, India.



Philosophy Unbound organises a two day mini-festival for performance and philosophy at the School of Arts and Aesthetics (SAA) at JNU from 9th to 10th of March 2018. In line with this open format, the topic of March’s event is DETEXT. Our format is held very open and we encouraged everybody – be it students, artists or researchers of various fields to send us their proposals for this first interdisciplinary gathering of that kind. Since most of our institutions regard only textual output as “serious” contributions, we want to open a space to detext and give you freedom to express your ideas outside the mastermedium of text. Show us an installation without having to worry about an explanatory text, give us a lecture without all the necessary footnotes to a rigid canon, dance your philosophical ideals without having to open your mouth to utter complete phrases! The program includes installations, video-projections, performances, reading sessions, lectures and much more.

Philosophy Unbound: DE:TEXT will take place on 9th & 10th of March 2018, 10-21h at the School of Arts & Aesthetics, Jawaharlal Nehru University

FB-Event

Participants include:
Mandara Vishwanath
SukhMehak Kaur
Murat Ates
Johannes Siegmund
Kilian Jörg
Anna Lerchbaumer
Pramod Komar
Shomo Choudhury
Jihyoung Park
Murari Jha
B Ajay Sharma
Paribartana Mohanty
Akansha Rastogi
Harshita Bathwal
Anupan Roy
Himanshu Hudeshai
Preeti Singh
Jigisha Bhattacharya
Srabasti Gosh
Arno Böhler
Janhavi Dharmankar
Susanne Valerie Granzer
Johannes Kretz
Lilly Kroth
Wei-Ya Lin
Veronika Maye
Martin Rumori
Anuradha Upadhyaya
Elisabeth Wilding
Aastha Gandhi

and many more


Photo by Bhole Nath



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