Das Elektroauto ist das zentrale Vehikel, mit dem sich der automotorisierte Kapitalismus über die gegenwärtige Hochkonjunktur des ökologischen Themas ideologisch hinweg zu retten versucht. Elektroautos werden nichts Wesentliches zu einer wirklichen ökologischen Wende beitragen, denn sie lassen sich vielmehr als Garanten und Stabilisatoren des sozialen wie ökologischen Status Quo einsetzen.
Ein Aufzeigen dieses Problems stößt natürlich auf mächtige - weil reiche - Widerstände. Ich nehme an, dass mir dies mit einem Artikel für Die Presse geschehen ist. Mein bereits zugesagter Artikel zu Elektroautos wurde nach einem seltsamen, eineinhalb-monatigen Hin und Her wieder abgesagt. Angeblich wegen "inhaltlicher und sprachlicher Mängel" (was im Vergleich zu diesem an selber Stelle gedruckten Meisterwerk der sich als Argumentationskunst tarnenden Xenophobie mir wie ein unverschämter Vorwand vorkommt). Meine Vermutung ist viel eher, dass man nicht den großen Inserenten der Zeitung vor den Kopf stoßen wollte.
Wie dem auch sei, Die Presse muss für sich entscheiden, ob sie ausgewogene Qualitätszeitung oder "Verkaufsbladl" sein will. Ich bringe den Artikel stattdessen halt hier - und freue mich, wenn Ihr in teilt, damit er zumindest ein paar Leser_Innen erreicht, die nicht schon meiner Meinung sind (was ja meine Hoffnung in der Presse gewesen wäre).
Elektroautos: Es
muss noch viel besser werden!
Seit
mehr als einem Jahr erleben wir die weltweit größte Umweltbewegung
der Menschheitsgeschichte. Von ganz jungen bis ganz alt reicht das
Spektrum derjenigen, die auf den Straßen, vor Gerichten, bei
Aktionen und Reden dazu auffordern, angesichts der gegenwärtigen
ökologischen Katastrophe endlich
zu handeln. Langsam beugen sich
die europäischen Regierungen diesem präzedenzlosen öffentlichen
Druck und schlagen erste, zaghafte “Klimapakete”
vor. So haben Länder wie die Niederlande, Schweden, Irland, Norwegen
und Dänemark beschlossen, bis spätestens 2030 alle Autos mit
Verbrennungsmotoren zu
verbieten und gleichzeitig E-Mobilität zu fördern. Auch Deutschland
möchte das Elektroauto “für
alle leistbar machen” und
dessen Beschaffung zukünftig mit 6000 € Zuschuss fördern. In
Österreich fehlt es noch an einem konkreten Klimapaket,
welches die EU allerdings bis spätestens Dezember von der Regierung
einfordert. Doch
auch hier ist der Kurs ähnlich: man setzt – unter anderem
– auf E-Mobilität und deren forcierte Förderung.
Wo
Elektromobilität bei Bussen und anderen öffentlichen
Verkehrsmitteln (Züge sind zu 99 % bereits heute e-betrieben)
ein guter Impuls ist, ist dasselbe beim Individualverkehr ein Schlag
ins Wasser. Denn bei einer solchen Investition handelt es sich eher
um eine finanzielle Förderung des Green-Washings der
Automobilindustrie, als um eine zielgerichtete Umweltpolitik.
Natürlich, das Elektroauto hat den angenehmen Vorteil leiser zu sein
und keine Schadstoffe direkt in die europäische Umwelt
zu blasen. Die CO2-Emissionen und Umweltbelastungen werden dadurch
jedoch nicht markant gesenkt, sondern bloß in benachteiligte
Produktionsländer
ausgelagert.
Der
Hauptgrund dafür ist der
aufwendige Produktionsweg der Elektroautos. Da deren Karosserien
leichter als jene von Brennstoff-Autos
sein müssen, werden diese
aus weitaus energieaufwendigerem Aluminium statt Stahl fabriziert.
Noch problematischer sind die hochgradig giftigen und zum Teil
radioaktiven Neben- und Abfallprodukte der benötigten, “grünen”
E-Batterien, deren hoher Bedarf an Seltenen Erden das Grundwasser
vergiftet, extrem schadstoffintenstiv ist und mehr und mehr zu einem
internationalen Konfliktmotor wird.und
hinterlässt radioaktiven und anders giftigen Müll.
Die
Bedingungen der Möglichkeit der Produktion von Elektroautos sind
globale Ungleichheiten. Ohne die grassierenden,
globalen Lohnunterschiede wäre
deren Produktion niemals rentabel.
So wurden zum Beispiel 71 % der seltenen Erden 2018 in China
produziert. Die
Umweltverschmutzung nimmt dort – wie auch in anderen
Produktionsländern – vehement
zu. Durch eine intensivierte Förderung des Elektroautos wird die
Umweltzerstörung und CO2-Belastung in diesen Ländern weiter
zunehmen. Das wäre zwar bei der Beibehaltung von Verbrennungsmotoren
nicht anders, doch ein ernstgemeintes Klimapaket, welches der
globalen ökologischen Krise gewachsen ist, sieht anders aus. Mit der
Förderung von Elektromobilität würde sich Europa bloß ein
bisschen nettere, weniger stinkende Städte leisten, während die
globale Klimaerwärmung und Zerstörung von Lebensräumen weiter
angefeuert wird. Nachhaltig ist das nicht.
Die
gute Nachricht ist: es kann – und muss! - noch viel besser werden!
Das Automobil als zentrales Vehikel moderner Verkehrsplanung kann in
Zeiten der globalen ökologischen Krise nicht die Lösung liefern.
Die gegenwärtige
Krise bietet die Chance, unsere Städte noch viel schöner und bunter
zu gestalten, als es die stau-, lärm- und abgasgeplagte Normalstadt
des frühen einundzwanzigsten Jahrhunderts ist.
In
den letzten Jahrzehnten hat sich bezüglich des Autos ein radikaler
Wertewandel vollzogen. Während es für die Generationen um 1960 noch
Symbol individueller Freiheit und moderner Teilhabe war, ist es für
die heutigen (urban geprägten) Generationen vermehrt ein Symbol für
die Probleme unserer Zeit: die Verpestung und Blockade unserer
Innenstädte und Umwelten, die Zersiedelung von urbanen Räumen, die
Atomisierung von Sozialwesen, das aufgemotzte, penetrant laute Symbol
einer verunsicherten, weil schwindenden Idee von patriarchaler
Männlichkeit.
Aufgrund
des Autos wird außerdem das Land immer unattraktiver, die
Nahversorger in Kleinstädten müssen den nur mit dem Auto
erreichbaren Supermärkten weichen, Jobs sind nur mehr durchs Pendeln
in die nächste Großstadt möglich (welches wiederum die allgemeine
Verkehrsbelastung in und außerhalb von Städte anwachsen lässt).
Eine irregeleitete Politik fördert immer noch einseitig den
Straßenbau und sogar das autofahrende Pendlerwesen. Dadurch werden
Bahn- und Busverbindungen in den Regionen weiterhin eingestellt, was
noch mehr Leute zum Umstieg aufs Automobil zwingt und noch mehr Böden
mit Asphalt versiegelt.
Am
Land wird das Automobil nicht von heute auf morgen weg zu denken
sein. Eine behutsame Förderpolitik von Elektromobilität könnte
dort zumindest kurzfristig – und nur ausdrücklich neben dem Ausbau
von ÖNVs und anderen
Alternativen – zielführend sein. In der Stadt spricht jedoch
wirklich nichts für die gezielte Förderung von Elektroautos.
Denn
neben den bereits genannten Problemen, die sich durch das Elektroauto
nur verschlimmern oder verlängern, wird damit auch die ohnehin
wachsende Schere zwischen arm
und reich weiter
auseinandergetrieben. Förderpakete wie z.B. das
deutsche Modell (6000 € für
die Neuanschaffung eines Elektroautos) helfen nur Menschen, die die
restliche Summe (Elektroautos beginnen bei ca. 20.000 €)
berappen können.
Ökologisch
weitaus sinnvoller wäre es, eine “Kein-Autokauf-Prämie”
einzuführen. In Deutschland ginge sich für 6000 €
eine Bahncard 100 UND ein gutes Fahrrad aus. In Österreich könnte
man neben der Österreichcard noch mit Leichtigkeit ein Lastenrad,
ein E-Fahrrad (wenn nötig) UND ein Jahresabo von einem
Bio-Nahversorger (Foodcoop)
bezahlen.
Eine
nachhaltige Klimapolitik für die Zukunft besteht also mit Sicherheit
nicht in der einseitigen Förderung von Elektroautos. Die
Transformation, die im Zeitalter massiver ökologischer Krisen von
der Politik erwartet wird, muss viel weiter gehen. Im Bereich der
Mobilität könnten unsere Lebensräume dadurch sogar um ein
Vielfaches schöner werden. Endlich keine Staukolonnen mehr in den
Städten! Endlich werden unsere Straßen sicher für spielende
Kinder! Endlich haben wir viel mehr Platz für Bäume, Spielflächen
und andere Orte des sozialen Austausches in unseren engen
Wohnstraßen! Endlich ist
Fahrradfahren in der Stadt keine Belastung für die Lunge und kein
Risiko für die Gesundheit mehr! Endlich werden Dörfer wieder
belebter und die hässlichen Supermärkte und Shoppingcenter an den
Peripherien weniger! Endlich verbringen wir weniger Zeit hinterm
Lenkrad und mehr Zeit mit Lesen, Tratschen und Spielen! Die Zukunft
wird bei uns etwas schöner sein mit dem Elektroauto, doch sie wird
noch viel schöner – und ohne auf die Kosten anderer – ohne das
Automobil insgesamt sein!
Photo via here.
Lieber Kilian, ich freue mich sehr über die Initiative zu diesem wichtigen Thema. Wie du richtig feststellst ist das etablierte mediensystem teil des etablierten wirtschaftssystems, und wird daher nicht daran rütteln wollen. Ich denke wir sind jetzt an einem Punkt wo auch in EU Europa Alternative Kanäle zum Mainstream werden müssen (wie etwa im Iran). Keep it up!
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