Sonntag, 29. Dezember 2019

Elektroautos, Medienlandschaft - es muss noch viel besser werden!

Das Elektroauto ist das zentrale Vehikel, mit dem sich der automotorisierte Kapitalismus über die gegenwärtige Hochkonjunktur des ökologischen Themas ideologisch hinweg zu retten versucht. Elektroautos werden nichts Wesentliches zu einer wirklichen ökologischen Wende beitragen, denn sie lassen sich vielmehr als Garanten und Stabilisatoren des sozialen wie ökologischen Status Quo einsetzen.
Ein Aufzeigen dieses Problems stößt natürlich auf mächtige - weil reiche - Widerstände. Ich nehme an, dass mir dies mit einem Artikel für Die Presse geschehen ist. Mein bereits zugesagter Artikel zu Elektroautos wurde nach einem seltsamen, eineinhalb-monatigen Hin und Her wieder abgesagt. Angeblich wegen "inhaltlicher und sprachlicher Mängel" (was im Vergleich zu diesem an selber Stelle gedruckten Meisterwerk der sich als Argumentationskunst tarnenden Xenophobie mir wie ein unverschämter Vorwand vorkommt). Meine Vermutung ist viel eher, dass man nicht den großen Inserenten der Zeitung vor den Kopf stoßen wollte.
Wie dem auch sei, Die Presse muss für sich entscheiden, ob sie ausgewogene Qualitätszeitung oder "Verkaufsbladl" sein will. Ich bringe den Artikel stattdessen halt hier - und freue mich, wenn Ihr in teilt, damit er zumindest ein paar Leser_Innen erreicht, die nicht schon meiner Meinung sind (was ja meine Hoffnung in der Presse gewesen wäre). 
 


 
Elektroautos: Es muss noch viel besser werden!

Seit mehr als einem Jahr erleben wir die weltweit größte Umweltbewegung der Menschheitsgeschichte. Von ganz jungen bis ganz alt reicht das Spektrum derjenigen, die auf den Straßen, vor Gerichten, bei Aktionen und Reden dazu auffordern, angesichts der gegenwärtigen ökologischen Katastrophe endlich zu handeln. Langsam beugen sich die europäischen Regierungen diesem präzedenzlosen öffentlichen Druck und schlagen erste, zaghafte Klimapakete vor. So haben Länder wie die Niederlande, Schweden, Irland, Norwegen und Dänemark beschlossen, bis spätestens 2030 alle Autos mit Verbrennungsmotoren zu verbieten und gleichzeitig E-Mobilität zu fördern. Auch Deutschland möchte das Elektroauto für alle leistbar machen und dessen Beschaffung zukünftig mit 6000 € Zuschuss fördern. In Österreich fehlt es noch an einem konkreten Klimapaket, welches die EU allerdings bis spätestens Dezember von der Regierung einfordert. Doch auch hier ist der Kurs ähnlich: man setzt – unter anderem – auf E-Mobilität und deren forcierte Förderung.
Wo Elektromobilität bei Bussen und anderen öffentlichen Verkehrsmitteln (Züge sind zu 99 % bereits heute e-betrieben) ein guter Impuls ist, ist dasselbe beim Individualverkehr ein Schlag ins Wasser. Denn bei einer solchen Investition handelt es sich eher um eine finanzielle Förderung des Green-Washings der Automobilindustrie, als um eine zielgerichtete Umweltpolitik. Natürlich, das Elektroauto hat den angenehmen Vorteil leiser zu sein und keine Schadstoffe direkt in die europäische Umwelt zu blasen. Die CO2-Emissionen und Umweltbelastungen werden dadurch jedoch nicht markant gesenkt, sondern bloß in benachteiligte Produktionsländer ausgelagert.
Der Hauptgrund dafür ist der aufwendige Produktionsweg der Elektroautos. Da deren Karosserien leichter als jene von Brennstoff-Autos sein müssen, werden diese aus weitaus energieaufwendigerem Aluminium statt Stahl fabriziert. Noch problematischer sind die hochgradig giftigen und zum Teil radioaktiven Neben- und Abfallprodukte der benötigten, “grünen” E-Batterien, deren hoher Bedarf an Seltenen Erden das Grundwasser vergiftet, extrem schadstoffintenstiv ist und mehr und mehr zu einem internationalen Konfliktmotor wird.und hinterlässt radioaktiven und anders giftigen Müll.
Die Bedingungen der Möglichkeit der Produktion von Elektroautos sind globale Ungleichheiten. Ohne die grassierenden, globalen Lohnunterschiede wäre deren Produktion niemals rentabel. So wurden zum Beispiel 71 % der seltenen Erden 2018 in China produziert. Die Umweltverschmutzung nimmt dort – wie auch in anderen Produktionsländern – vehement zu. Durch eine intensivierte Förderung des Elektroautos wird die Umweltzerstörung und CO2-Belastung in diesen Ländern weiter zunehmen. Das wäre zwar bei der Beibehaltung von Verbrennungsmotoren nicht anders, doch ein ernstgemeintes Klimapaket, welches der globalen ökologischen Krise gewachsen ist, sieht anders aus. Mit der Förderung von Elektromobilität würde sich Europa bloß ein bisschen nettere, weniger stinkende Städte leisten, während die globale Klimaerwärmung und Zerstörung von Lebensräumen weiter angefeuert wird. Nachhaltig ist das nicht.

Die gute Nachricht ist: es kann – und muss! - noch viel besser werden! Das Automobil als zentrales Vehikel moderner Verkehrsplanung kann in Zeiten der globalen ökologischen Krise nicht die Lösung liefern. Die gegenwärtige Krise bietet die Chance, unsere Städte noch viel schöner und bunter zu gestalten, als es die stau-, lärm- und abgasgeplagte Normalstadt des frühen einundzwanzigsten Jahrhunderts ist.
In den letzten Jahrzehnten hat sich bezüglich des Autos ein radikaler Wertewandel vollzogen. Während es für die Generationen um 1960 noch Symbol individueller Freiheit und moderner Teilhabe war, ist es für die heutigen (urban geprägten) Generationen vermehrt ein Symbol für die Probleme unserer Zeit: die Verpestung und Blockade unserer Innenstädte und Umwelten, die Zersiedelung von urbanen Räumen, die Atomisierung von Sozialwesen, das aufgemotzte, penetrant laute Symbol einer verunsicherten, weil schwindenden Idee von patriarchaler Männlichkeit.
Aufgrund des Autos wird außerdem das Land immer unattraktiver, die Nahversorger in Kleinstädten müssen den nur mit dem Auto erreichbaren Supermärkten weichen, Jobs sind nur mehr durchs Pendeln in die nächste Großstadt möglich (welches wiederum die allgemeine Verkehrsbelastung in und außerhalb von Städte anwachsen lässt). Eine irregeleitete Politik fördert immer noch einseitig den Straßenbau und sogar das autofahrende Pendlerwesen. Dadurch werden Bahn- und Busverbindungen in den Regionen weiterhin eingestellt, was noch mehr Leute zum Umstieg aufs Automobil zwingt und noch mehr Böden mit Asphalt versiegelt.

Am Land wird das Automobil nicht von heute auf morgen weg zu denken sein. Eine behutsame Förderpolitik von Elektromobilität könnte dort zumindest kurzfristig – und nur ausdrücklich neben dem Ausbau von ÖNVs und anderen Alternativen – zielführend sein. In der Stadt spricht jedoch wirklich nichts für die gezielte Förderung von Elektroautos.
Denn neben den bereits genannten Problemen, die sich durch das Elektroauto nur verschlimmern oder verlängern, wird damit auch die ohnehin wachsende Schere zwischen arm und reich weiter auseinandergetrieben. Förderpakete wie z.B. das deutsche Modell (6000 € für die Neuanschaffung eines Elektroautos) helfen nur Menschen, die die restliche Summe (Elektroautos beginnen bei ca. 20.000) berappen können.
Ökologisch weitaus sinnvoller wäre es, eine Kein-Autokauf-Prämie einzuführen. In Deutschland ginge sich für 6000 € eine Bahncard 100 UND ein gutes Fahrrad aus. In Österreich könnte man neben der Österreichcard noch mit Leichtigkeit ein Lastenrad, ein E-Fahrrad (wenn nötig) UND ein Jahresabo von einem Bio-Nahversorger (Foodcoop) bezahlen.

Eine nachhaltige Klimapolitik für die Zukunft besteht also mit Sicherheit nicht in der einseitigen Förderung von Elektroautos. Die Transformation, die im Zeitalter massiver ökologischer Krisen von der Politik erwartet wird, muss viel weiter gehen. Im Bereich der Mobilität könnten unsere Lebensräume dadurch sogar um ein Vielfaches schöner werden. Endlich keine Staukolonnen mehr in den Städten! Endlich werden unsere Straßen sicher für spielende Kinder! Endlich haben wir viel mehr Platz für Bäume, Spielflächen und andere Orte des sozialen Austausches in unseren engen Wohnstraßen! Endlich ist Fahrradfahren in der Stadt keine Belastung für die Lunge und kein Risiko für die Gesundheit mehr! Endlich werden Dörfer wieder belebter und die hässlichen Supermärkte und Shoppingcenter an den Peripherien weniger! Endlich verbringen wir weniger Zeit hinterm Lenkrad und mehr Zeit mit Lesen, Tratschen und Spielen! Die Zukunft wird bei uns etwas schöner sein mit dem Elektroauto, doch sie wird noch viel schöner – und ohne auf die Kosten anderer – ohne das Automobil insgesamt sein!



Photo via here.

1 Kommentar:

  1. Lieber Kilian, ich freue mich sehr über die Initiative zu diesem wichtigen Thema. Wie du richtig feststellst ist das etablierte mediensystem teil des etablierten wirtschaftssystems, und wird daher nicht daran rütteln wollen. Ich denke wir sind jetzt an einem Punkt wo auch in EU Europa Alternative Kanäle zum Mainstream werden müssen (wie etwa im Iran). Keep it up!
    I subscribe :)

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