me discussing Spinoza (really!) in اصفهان |
This blog has lost a lot of momentum after the first pretty active months, I know... After a wonderful summer, in which I have given in to my nomadic trait and travelled wonderful places like Berlin, Dreetz, Ibiza, Istanbul, Ankara, Erzurum, Doğubeyazıt, ماكو (Maku), تبريز (Tabriz),اصفهان (Esfahan),کندوان (Kandovan), يزد (Yazd) and تهران (Teheran) (See pictures here and here) , I am back in Vienna, but not much has happend on this blog. This is not because I have given up on philosophy or this blog - exactly the opposite is true. Aside from having started a new Masters program at the University of Applied Arts Vienna called Arts & Science I have started working on a philosophical book project. This project has been
growing in my head for the last 2 to 3 years and now I feel there is the time to actually write it down. Get to actual work. So the reason I haven't been that active on this blog is that I am writing a book project about reason. Although it - until now - going really well, this will take some time to be completed.
me in the dessert around يزد (photos: Johannes Wittrock) |
This will not be the last time you will hear about this book project on my blog. To give you some sort of taste of what the book project is concerned with, I am posting you a little prose-excerpt, which will find its way into that book. It illustrates kind of well some of the aspect of reason (or thinking) that I will concern myself with in this book. Maybe the primary concern of it will be that of identifying something like ecological reason aside from claiming, that our occidental way of thinking has had (and still has) huge inclinations to actually harm the environment by blocking it out.
In the last weeks I have found quite a lot of older material of mine which I actually really like. So you might find some of these mixtures between prose and philosophy on this blog soon enough. This is the first one and I would be happy for any remarks, criticism and hints about it. It is in German, I am sorry to say to those not speaking that language.
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im Gare de Montparnasse |
Als ich mich vom Gare de
Montparnasse aus zurück ins Stadtgeschehen warf, wurde ich an ein
paralleles Erlebnis am Franz-Josef-Bahnhof zurückversetzt - als ich
von meiner letzten Landflucht ins Urbane zurückfiel.
Der Übergang vom Land in
die Stadt ist immer mit einem Schockzustand verbunden. Die
gigantische Reizüberflutung knüppelt einen nieder. Das Auge muss
tausend Reizen in der Sekunde folgen und beginnt sich bald von der
vielen Bewegung zu überhitzen - das Augenwasser kommt seiner
Kühlfunktion nicht nach. So viele schöne Frauen, so viele
Leuchtreklamen, so viel Verkehr, soviel Lärm, soviel Leute, sowenig
Himmel.
Am Land öffnen sich die
Organe zu einer größeren Sinnlichkeit - man kann die Welt in einer
Art Harmonie einatmen, man findet Ruhe & Frieden - sehr
arbeitsförderlich, wie es mir von außen scheint - fühlt sich frei
und verbunden. Die Sinne betasten die Welt. Wie aus einem
Schneckenhaus wagen sie sich vorsichtig wieder heraus, betasten mit
ihren zarten Tentakeln die Welt und finden - vorsichtig - Halt in
ihr.
In der Stadt brüllt das
Zuviel die Sinne nieder, sie müssen sich zurückziehen, ducken, da
die Welt auf sie einschreit. Sie können nicht frei & nach
belieben die Welt auskosten, sie müssen sich zu einer Bastion
zusammenkuscheln, die man oftmals Subjekt nennt. Um Ökonomie zu
betreiben mit den Reizen, die auf sie von allen Seiten einstürmen,
muss sich die freie Assoziationsgemeinschaft der Sinne zu einem
Panzertier bündeln, dessen Panzer sich aus mehr als Kretin, Knochen
oder Hornhaut zusammensetzt.
Eine Leuchtreklame, die
mit im Diesseits nicht nachzuahmenden Schönheiten ein
unwiderstehliches Parfüm bewirbt, ein Tumult von kreuz und quer
laufenden Personen, die diesen Ideen von Schönheit verwirrend nahe
kommen, ein Zeitungsstand, an dem Bündel fetter Letter diese
Weltneuheit oder jenen Weltskandal beheulen, eine Auslage in der die
neueste Elektronik hypnotische Lichterketten mimen, ein zwei drei
Bettler, die mit ehrlicher oder gespielter Betroffenheit an die
Nächstenliebe appellieren, ein Vierter, der reglos am Boden liegt,
das klappern von Stöckelschuhen, das den schnellsten Weg durch das
ständig sich bewegende Labyrinth erpresst, ohne die Augen vom
Smartphone zu nehmen, das Rauschen von tausend Stimmen, die hier oder
sonst wo auf der Welt ein ernstes, liebendes, streitendes,
zärtliches, erziehendes, ermahnendes oder bestärkendes oder
vernichtendes Gespräch führen, dahinter das Donnern des Verkehrs,
der Züge, der Flugzeuge, der Geruch von Essenständen, Hundescheiße,
Düften, Abgasen und Blut - man kann nicht auf sie alle eingehen,
geschweige denn, sie frei suchen.
Die Sinne müssen
Disziplin erfahren und nur auf gewählte Eindrücke eingehen: das
Auge bleibt starr auf den Weg gerichtet, der Ablenkung resistierend;
das Ohr faltet sich zu einer gewissen Taubheit zusammen, um nur mehr
bestimmte Signale - menschliche Stimmen, Hupen - aus dem Verkehrslärm
zu filtern; die Nase bleibt am besten gänzlich verschlossen; die
Zunge betäubt sich an einem Kaugummi oder übersalzten Kebap; der
Tastsinn wird gänzlich blind.
Die Sinne können in der
Welt der Überreizung, die sich der Mensch proportional entlang dem
eigens so genannten Fortschritt angelegt hat, nicht frei umher tollen
und müssen sich einer Führung unterwerfen - der Ruf nach einem
starken Führer wird laut und jener strukturiert den losen
Interessensverband Mensch in einem strikten und totalitären
Kastensystem.
An dessen Spitze stellt
er sich selber: der Wille, die Rationalität, der unhinterfragte
Sonnenkönig. Gesichert und bestärkt wird er von seinem treuesten
Vasallen, dem Seesinn - durch seine Bilder und Räumlichkeitskonzepte
bewegt sich der Geist - auf ihnen hat er seine befestigten Autobahnen
errichtet.
Weiter unten - schon viel
niedriger - findet sich das Ohr, das den Stand eines niederen
Gesellens oder Wachmanns einnimmt - ihm obliegt der Aufschrei vor der
Gefahr ab und zu, der Rundumblick aus dem Wachturm, das seltene
Hinzuliefern von Informationen, die er möglichst Unverändert aus
einem von der Obrigkeit bestimmten Bereich fördern soll.
In der untersten Kaste -
den Untastbaren - verweilt, untereinander leicht abgestuft & sich
gegenseitig drangsalierend, der Geruchs-, Geschmacks- und Tastsinn.
Die Stadt - oder die
Überreizung - produziert also das geschlossene Subjekt, eine
Rationalität, die auf strenge Beherrschung der Sinne setzen muss,
anstatt freier und produktiver Kooperation.
Am
Gare de Montparnasse oder am Franz-Josef-Bahnhof, an der Penn
Station, der Estación
Puerta de Atocha und dem Athener Σιδηροδρομικός
Σταθμός Αθήνας -
aber lustigerweise nicht am Berliner Hauptbahnhof - erdrückt einem
die Stadt in einem Zug. Immer sind meine Heimwege von den jeweiligen
Bahnhöfen bedrückte, verzweifelte, suchende. Verlustangst kommt auf
- schmerzvolles Abhandenkommen der friedvollen Koexistenz meiner
verschiedenen Triebe, Morgenröte der monistischen
Notwendigkeitsherrschaft des Leviathan - des Triebvertrags,
geschlossen, um den Kampf aller gegen alle zu verhindern.
Insoferne
ist es auch interessant, dass viele unserer modernen
Entspannungsformen nicht mehr auf die Ent-, sondern auf die
Überreizung abzielen. Im Club, am Rummelplatz, im Drogenrausch
findet man seine Ruhe nicht in Übereinstimmung mit den äußeren -
ebenfalls ruhigen - Umständen. Man erlebt sie als eine Art Trance
oder Taumel, in den sich das Gehirn aus Rückzugsmotiven begibt.
Man
tanzt im Club zu hektischen und oftmals atypischen Tonfragmenten,
lässt sich von Lasern, Rauch und dem aufreizenden Blickkontakt mit
aufblitzenden Menschen in eine majestätische Gelassenheit tragen, in
der der animierte & synchronisierte Körper zu einem ruhenden
Auge wird, das einfach nur mehr schaut.
Je
mehr man sich auf diese tobende Höhle einlässt, desto mehr wagen
sich die Sinne wieder zu öffnen - man atmet das himmlische Parfüm
dieser Schönheit im Vorbeiwackeln ein, spürt die zarte und leicht
nasse Haut jener im nahen Tanz und schmeckt im Glücksfall noch die
eine oder andere rote Lippe, die sich gefühlsvoll mit der eigenen
vereint, während die Atmosphäre wie ein Wirbelsturm brüllt, in
dessen Windhose man die Sinnlichkeit wiederfindet.
relax |
Die
Laser rummsen bis in den Morgen - doch irgendwann stimuliert einem
die Bassdrum nicht mehr - man hat mit ihrer Hilfe unter ihr Niveau
abgebremst, steht immer benommener auf der Tanzfläche, begnügt sich
mehr und mehr mit der Rolle des reinen Auges, wird immer mehr an den
Rand geschwemmt, zieht im Glücksfall noch die Hand eines oder einer
ebenfalls zu genüge Beruhigten aus dem Strom, taumelt mit ihr zur
Garderobe, oder im vulgären Fall aufs Klo.
Dort
kann man mit der richtigen chemischen Mischung das Niveau nochmals
auf das der Bassdrum zurück adjustieren, doch irgendwann verliert
auch das beste Zauberpülverchen seinen Effekt und man wird sich
früher oder später im Draußen wiederfinden, im Vor-dem-Club. Die
Luft ist hier kalt und die Stadt erscheint einem so ruhig wie
ungekannt. Das Wummern der Bassdrum setzt sich noch sanft durch die
Wände durch, bildet ein Outro zum sonst zu harten Übergang, aber
sonst hört man kaum einen Laut in der nächtlichen Stadt und auch
ungewohnt wenig Schatten huschen durch die Straßen. Das Ohr ist noch
dumpf, der Tastsinn stumpf, die Augen dunkel.
Die
Luft ehrt seinen Atem mit rollenden Dampf, den man mit der geteilten
Zigarette von sich aus bestärkt. Man tauscht Nummern aus, geht
miteinander heim oder lässt es bleiben - es ist alles herrlich
gleichgültig in diesem Kokonstatus der Sinne, durch diese Abbremsung
durch ein maximales Durchstarten.
Man
wankt entspannt nach Hause, beschaut mit ruhigen Auge das Erwachen
dieser Stadt, an dem man nun definitv nicht Teil hat. Die untersten
Schichten klettern schon aus ihren Höhlen und Kanaldeckeln und
wuseln über den urbanen Raum, den die Sonne noch nicht berührt hat.
Sie waschen den Bürgersteig, fahren den Nachtbus, reparieren die
Straßen und Schienen - ein Bouquet schillernder Funken sprüht von
diesem Schweißgerät und ich werte es als abschließendes Feuerwerk
für einen gelungenen Abend. Ich entleere mein Geldbörsel in den Hut
eines schlafenden Obdachlosen und bin beruhigt, die Stadt nur schauen
zu müssen. Denn man ist kein Teil des Treibens, man spaziert wie
durch ein Aquarium, dessen Glaswände die Sinneseindrücke abstumpfen
wie die Überreizung des Clubs und schläft irgendwann ein auf seinem
Bett oder das eines anderen, um sich am nächsten Tag, oder am
übernächsten Tag wieder einer geregelten Reintegration zu widmen.
Dann
spielt man das Spiel wieder mit, führt seinen Tanz auf in der
Windhose des reizenden Tornados, filtert, sammelt, konstituiert und
schotet sich ab. Wird mehr und mehr zu einer Verdichtung, einem
knallharten Subjekt, das die Welt nicht mehr einlässt, sondern sie
nach seinem Kommando dirigiert. Die Haut ist dann dicht genug, für
die äußeren Bereiche des Tornados, man betritt, wie Feindesland,
die Welt der Überreizung und versucht in ihr seinen Willen zu leben.
Doch irgendwann verbläst es auch den stärksten Leviathan und die
dichte Haut der strengen Sinnesführung blättert zunehmend ab, weist
Risse auf und führt früher oder später zum Zusammensacken im
Burnout. Dann trete ich wieder die Fluchtbewegung an. In den Club,
den Rausch, oder zur umgekehrten Bewegung auf einem Bahnhof, sei es
der Montparnasse, der Franz-Josef, oder sonst irgendwer. Zurück in
die Windhose, irgendwie.
Versuch 2, das Kommentarsystem ist buggy.
AntwortenLöschenSchön geschrieben!
Aber du hast einen Sinn vergessen: Proziozeption, die Wahrnehmung des Körpers und dessen Position im Raum, erstickt im Trubel der Grossstadt durch gnadenlose Reduktion des personal space und Vorgabe der Bewegungsrichtung und -Geschwindigkeit.
thanks a lot all :) and yes...i can totally agree that this is also somethign affected by the city's environment...but one can not mention everything in prose....the fact that you came up with the association yourself makes me happier than adding it to the text explicitly :)
AntwortenLöschenall the best to you two!!! (both in switzerland, right?)